■ Kommentar: HVV braucht Radikalkur
Eine gesunde Stadt braucht einen funktionsfähigen öffentlichen Nahverkehr. Kommt es in Hamburg tatsächlich zu einer Verkehrswende weg vom Auto, dann wird der HVV schon bald statt heute 450 Millionen bis zu einer Milliarde Fahrgäste jährlich zählen. In seiner gegenwärtigen Verfassung ist er dazu überhaupt nicht in der Lage.
Im Gegenteil: Das marode S-Bahnnetz, ein schlecht gemanagtes Bussystem, unzureichende Verbindungen ins Umland, ein halsstarriger Hochbahn-Betriebsrat und Erneuerungsfeindlichkeit im Kernunternehmen, der Hamburger Hochbahn AG (HHA) lassen jedes Expansionskonzept an der Finanzguillotine enden. Aus heute schon knapp 600 Milionen Mark Betriebsdefizit würde dann schnell ein jährlicher Zuschußbedarf von bis zu eineinhalb Milliarden Mark. Das könnte auch der tiefgrünste Senat nicht mehr finanzieren.
Der HVV braucht ein zukunftweisendes Konzept, das seine Verkehrsaufgaben in den nächsten 30 Jahren definiert. Er braucht vor allem aber eine völlige betriebliche Neuorganisation der S-Bahn und eine Betriebsreform der HHA. Eine Zerschlagung der verfilzten Transportbehörde HHA, Dezentralisierung und auch Teilprivatisierungen dürfen dabei kein Tabu sein.
Gegenwärtig verhindert eine Koalition aus Senat, Bundesbahn, ÖTV und HHA-Filz die überfällige Reformdiskussion. Die Zeit drängt: 1995 zieht sich der Bund vollständig aus der Verantwortung für den Nahverkehr zurück. Das Ozonloch wächst, und die HVV-Miesen explodieren. Das HVV-Problem kann man nicht aussitzen. Wer das versucht, wird sich bald bis über die Ohren in der Scheiße finden.
Florian Marten
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen