Kommentar: Vandalen unter uns
■ Polizei war Vorbild für „Krawallisten“
Man stelle sich vor, ein Polizeibeamter oder ein kleiner Landeninhaber wirft ab und an auf dem Nachhauseweg mal eben am Sielwall-Haus einen Stein ins Fenster. Weil ihm der ganze Laden irgendwie nicht paßt und die Leute doch nur von seinen Steuergeldern für ihr „wildes“ Leben schmarotzen. Unvorstellbar? Hoffentlich.
Auf demselben intellektuellen und politisch-moralischen Niveau liegen die Begründungen derer, die - weil ihnen sonst niemand zuhört - die Scheiben unbeteiligter Dritter einschlagen. Zum Glück begeben sich die, die da angegriffen werden, nicht auf dasselbe Niveau - schnell wäre das Geschrei über „Bürgerwehr“ groß. Zu recht - solange der Rechtsstaat funktioniert.
Das alles ist Theorie. Wenn auch nur die Hälfte von, dem, was Sielwallhaus-Nutzer über den Polizeieinsatz am 2. Oktober berichten, stimmt, dann haben sich die Hüter des Rechtsstaates dort benommen wie die Vandalen. Keine Partei, kein Beirat, keine Deputation (und kein Polizeipräsidium) hat eine Untersuchung angestellt, um von sich aus die öffentlich erhobenen Vorwürfe zu klären und die Maßstäbe dessen wiederherzustellen, was für polizeiliches Handeln als legitim akzeptiert werden sollte.
Und wer will verlangen, daß die politische Moral auf der Seite der DemonstrantInnen sich mehr als die Moral der Polizei zum Vorbild nimmt? Klaus Wolschner
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