Kommentar: Sind wir überfordert?
■ Beim Libanon fängt Multikulti an
Die jugendlichen Libanesen, die in den letzen Tagen in Bremen vor Gericht standen, sind kriminell geworden - keine Frage. Aber was sagt uns das? Erstens ist es ein gutes Beispiel dafür, wie unsäglich der Slogan „kriminelle Ausländer raus“ ist, der ja von der DVU nur deswegen verbreitet ist, weil er in vielen Köpfen seit mehr als 50 Jahren festsitzt. Wer diese Jugendlichen gewaltsam nach dem Libanon abschiebt, macht sie da zum Kanonenfutter.
Zweitens ist der Fall ein schlagender Beweis dafür, daß es einfach Vorspiegelung falscher Tatsachen ist, ein Senatsressort „Ausländerintegration“ einzurichten. Alles, was zur Integration dieser Ausländer gemacht werden müßte, darf dieses Ressort nicht. Da herzlich wenig gemacht wird, hat die Justiz von ihrem Ermessensspielraum Gebrauch gemacht und den Betroffenen nur die Grenzen des deutschen Strafrechts gezeigt.
Wenn nun aber immer noch nichts geschieht, dann werden die Richter diese Jugendlichen bald wiedersehen - und dann endet ihr Ermessensspielraum. Multikulturelle Gesellschaft ist nicht, wenn man Giros oder Pizza essen gehen kann. Multikulturelle Gesellschaft fängt da an, wo es unangenehm kompliziert ist. Und wenn die betroffenen Ressorts sich dem Problem nicht stellen, dann geben sie am Ende denen Recht, die sagen: „Kriminelle Ausländer raus“. (Gutwillig übersetzt: Wir sind überfordert.) Klaus Wolschner
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