Kommentar: Voller Gutsein
■ Schwierigkeiten mit der Gerechtigkeit
Das Handeln der Justiz zu kritisieren ist ein schwieriges Unterfangen. Zu viele juristische Fallstricke sind gespannt, in denen sich fast jeder verheddern muß, der sich ein Urteil über ein Urteil oder einen Prozeß bilden will. Und allzu schnell stellt sich etwas typisch Deutsches ein: die Täternähe. Wie einfach scheint es, sich mit dem Handelnden in der Geschichte innerlich gemein zu machen, wie leicht, die Justiz auf die Reintegration des Gestrauchelten festzunageln. Unsereins ist fern der Rache und voller Gutsein. Wie schwer dagegen fällt die Identifikation mit den Opfern, wenn es sich dabei nicht gerade um eine Frau handelt, und dabei die Kommentierende eine Frau ist. Beide Haltungen sind gleichermaßen achtenswert wie fragwürdig, wenn es um Gerechtigkeit geht.
Um das Versagen der Gerichte im Fall des Michael N. zu konstatieren, dazu braucht es weder Sozialarbeiterkitsch noch automatische Opfer-Identifikation. Die nüchternen Fakten sprechen für sich: Da ist einer wieder auf die Menschheit losgelassen worden, dessen Gefährlichkeit er selbst nachhaltig unter Beweis gestellt hat. Daß er sich ein weiteres Opfer gesucht hat, das hätte man ahnen können, und das ist keineswegs die Besserwisserei derer, die hinterher beurteilen. Den Mann wieder loszulassen, das hat niemandem gedient. Daraus müßten Schlüsse gezogen werden. Im Sinne der Opfer – und damit die Täter keine Täter bleiben. Jochen Grabler
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