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KommentarDie ganz lahme Ente

■ Clintons Präsidentschaft ist am Ende, selbst wenn er im Amt bleibt

Die Videos von Bill Clintons Vernehmung, eigentlich streng geheim, wurden ausgestrahlt. Empörend genug, sagen manche, allen voran die Europäer. Das können die wenigsten US-Amerikaner verstehen – und nach Ansicht der Bänder um so weniger. Denn der Skandal, mit dem alle gerechnet hatten, blieb aus. Da war kein Clinton zu sehen, der durch den Raum tobte, die Ermittler beschimpfte oder sich sonstwie unmöglich machte. Man sah einen Präsidenten, wie man ihn in der Lewinsky-Affäre schon kannte: mal bedripst, mal wütend, idiotisch haarspalterisch an der Sex-Definition, aber alles in allem: gefaßt, präzise, schuld- aber auch bewußt, wie man einen Präsidenten sehen möchte, wenn man ihn schon in einer solchen Situation sehen muß.

Jetzt rätseln die politischen Analytiker in den USA, wem dieses Manöver letztlich genutzt hat. Theaterkritik, mit dem bisherigen Ergebnis: Der Sieger heißt Clinton.

Allerdings: Dieser Präsident hat nur noch das Ziel, seine Amtszeit regulär zu Ende zu bringen. Kaum jemand kann sich vorstellen, daß die von der Clinton-Affäre und diversen Parteispendenskandalen gebeutelten Demokraten bei den Wahlen Anfang November die Mehrheit wiedergewinnen. Das ist nicht neu, Clinton regiert seit langem ohne Mehrheit. Dieses Manko hat er bislang durch Popularität und Autorität wettmachen können. Damit ist es vorbei.

Doch die Mehrheit der US-Amerikaner begreift Rücktritt oder Amtsenthebung als Höchststrafe für präsidiales Fehlverhalten und ist nicht der Meinung, daß Clinton dieses wegen seiner Lügereien in der Lewinsky-Affäre verdient hätte. Diese Interpretation wird durchaus von der Verfassung gedeckt. Die Frage, ob die Nation sich ein Staatsoberhaupt leisten kann, das in einer stark auf ihn ausgerichteten Verfassungswirklichkeit kaum noch handlungsfähig ist, steht nicht zur Debatte.

Und die Mehrheits-Republikaner können mit einer unglaublich lahmen Ente Clinton wesentlich besser leben als mit einem frischen Al Gore und dem Vorwurf, einen populären Präsidenten aus parteitaktischen Überlegungen wegen eines Seitensprungs aus dem Amt befördert zu haben. Daß der Kongreß vor diesem Hintergrund ein Amtsenthebungsverfahren durchsetzt, ist kaum denkbar. Bill Clintons Präsidentschaft ist vorbei – seine Amtszeit aber wird noch zweieinhalb Jahre weitergehen. Bernd Pickert

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