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■ KommentarDie Illusion von der Militärmacht Europa  WEU: Die EU soll aufgerüstet werden

Die EU soll zur Militärmacht werden. Dies begründeten die Außen- und Verteidigungsminister der WEU gestern vor allem mit der mangelnden Handlungsfähigkeit Europas im Kosovo-Konflikt. Außenminister Fischer verlangt, die Europäer müßten militärisch in die Lage versetzt werden, auch ohne die USA Krisen zu bewältigen. Vergessen wird dabei: Die Probleme im Kosovo waren (wie zuvor in Bosnien oder Kroatien) in erster Linie politischer und wirtschaftlicher Natur und seit Jahren zu erkennen. Nicht rechtzeitig reagiert zu haben, darin liegt das Versagen der EU-Staaten. Durch die Anschaffung eines militärischen Apparats wird fehlende außenpolitische Handlungsfähikeit nicht hergestellt. Und die finanziellen Spielräume für eine präventive Wirtschafts-und Außenpolitik der EU in den Konfliktzonen würden noch enger.

Hätten auch die Europäer Aufklärungssatelliten über dem Kosovo, wüßten wir mehr über verschwundene Flüchtlingsströme, bemerkte Scharpings Staatssekretär Stützle kürzlich. In der Bevölkerung fallen solche Töne bis weit hinein in ehedem militärskeptische Kreise auf fruchtbaren Boden. Ein Grund ist das Unbehagen über die Rolle der USA. „Die Amerikaner bestimmen alles, die militärische Strategie, die Bombenziele, die Forderungen an Belgrad und die Informationspolitik.“ Damit stößt Egon Bahr bei Kosovo-Diskussionen auf große Zustimmung. Doch so notwendig eine nüchterne Analyse der Interessen der USA auch ist: in der aktuellen Kosovo-Diskussion dient Der Hinweis auf die Vormachtstellung Washingtons vor allem zur Ablenkung von der Mitverantwortung der westeuropäischen Nato-Staaten für den desaströsen Luftkrieg. Sämtliche Entscheidungen, die die Allianz seit Oktober 98 auf dem Weg zu diesem Krieg getroffen hat, erforderten die Zustimmung aller 16 Mitglieder. Außenminister Fischer versucht die Mitverantwortung inzwischen zu schmälern: Die Clinton-Administration habe seine und Kanzler Schröders Zustimmung zum Nato-Luftkrieg mit der Drohung herbeigeführt, andernfalls würden die USA das Bombardement alleine beginnen.

Sollte dies stimmen, wäre Fischer auf einen Bluff der Clinton-Administration hereingefallen. Ein Bombardement durch die USA allein war nie vorstellbar – denn es hätte das Nato-Bündnis gesprengt. Andreas Zumach

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