piwik no script img

KommentarMann mit Schwefelgeruch?

■ PDS-Kandidat Havemann wird Verfassungsrichter

Der Brandenburger Landtag hat gestern unkonventionell, aber wohlüberlegt gehandelt, als er Florian Havemann zum Verfassungsrichter bestellte. Havemann ist kein Jurist, sondern Künstler, Schriftsteller und Handwerker. Damit erfüllt er in seiner Person aufs beste die Vorbedingung, „relevante Gruppen“ zu vertreten und eine „breite gesellschaftliche Repräsentation“ zu gewährleisten. Der Einwand des künftigen Kollegen Klaus Finkelnburg, Präsident des Berliner Verfassungsgerichts, die Verfassungs-Rechtsprechung sei eine hochprofessionelle Angelegenheit, liegt vollkommen neben der Sache. Havemann ist als einer von drei Laienrichtern in das neunköpfige Gremium gewählt worden.

Was einen solchen Laienrichter auszeichnen sollte, ist ausgewiesene demokratische Praxis und eine Portion Lebenserfahrung. Als Florian Havemann nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei die Fahne des überfallenen Landes aus dem Wohnungsfenster hängte, hat er (in jungen Jahren) mehr Zivilcourage gezeigt als durchweg alle, die heute seine Befähigung zum Amt des Verfassungsrichters anzweifeln. Sein Verfassungsverständnis ist davon geprägt, daß Bürgerrechte nicht einfach da sind, sondern daß man immer wieder um sie kämpfen muß. Auch seine künstlerische Arbeit, das Projekt um den Naziarchitekten Albert Speer, beweist politisches Engagement. Keine Sorge, er wird im hohen Gerichtssaal kein Happening veranstalten. Zu seiner Lebenspraxis zählt auch Knasterfahrung. Gut fürs Laien-Richteramt.

Aber von Havemann geht Schwefelgeruch aus, denn die PDS-Unterteufel aus Brandenburg haben ihn nominiert. Die zahlreichen Dorfpolitiker, die sich hierüber erregen, verwechseln allerdings die Motive der PDS mit denen des Kandidaten. Natürlich trifft zu, daß die PDS „Bündnispolitik“ im leninschen Sinn betreibt. Während allerdings die klassische Version dieser Politik darin besteht, sich der Unterstützung nützlicher Idioten zu versichern, hat die PDS anderes im Sinn. Sie möchte weithin sichtbar, also bei Wahlen, Kandidaten präsentieren, die der Partei den Ruch des SED-Nachfolgevereins nehmen. So what? Die Innenwirkung solcher Manöver auf alte und neue Nostalgiker des DDR-Sozialismus kann man nur unterstützen. Christian Semler

Bericht Seite 6

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen