Kommentar (zum Foto Seite 24): Marktplatz voll Protest
■ Kita-Preise hebeln Rechtsanspruch aus
Mit der Neuregelung des Paragrafen 218 war vom 1.1.1996 der Rechtsanspruch auf die Kindergarten-Versorgung vom Deutschen Bundestag eingeführt worden. Das hatte die SPD in Bonn durchgesetzt, christlich-familienfreundlich und sozial war der Kompromiß – gemeint. Dazu gehört, das Kindergeld 1996 deutlich zu erhöhen.
Was die Politik aus solchen schönen Ansprüchen machen kann, zeigt die aktuelle Debatte um die Kita-Gebühren. Obwohl lange vorher bekannt war, wann das Jahr 1996 beginnt, führt die Politik eine „Übergangszeit“ ein. Von dem erhöhten Kindergeld holen sich die Kommunen über die Anrechnung auf das Netto-Einkommen bei den Kita-Gebühren einen Teil zurück – in Bremen kalkuliert man einige hunderttausend Mark an Mehreinnahmen. Hinzukommen soll eine drastische Erhöhung der Höchstsätze um 200-300 Mark pro Monat. Die wenigen, die diese Höchstsätze bezahlen, werden ihre Kinder lieber privat und besser betreuen lassen. Damit reduziert man die Anzahl der Anmeldungen und „löst“ das Problem mit dem Rechtsanspruch. In ihren internen Berechnungen kalkuliert die Behörde diese Abmeldungen schon ein.
Ein Marktplatz voller verärgerter Eltern gestern abend. Was auffällt: Kein Bedürfnis, die Senatorin herauszufordern, vor dem versammelten Protest den Versuch der Rechtfertigung zu unternehmen. Davon hätte sich kaum jemand etwas erwartet. Klaus Wolschner
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