Kommentar zu Guttenberg: Kitsch und Krieg
Der politische Unfug, den Karl-Theodor zu Guttenberg jetzt in der Bild am Sonntag verbreitet, ist nicht dazu angetan, das Vertrauen in ihn zu stärken.
D er Verteidigungsminister will seine Darstellung der Umstände, die zu der Entlassung von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan geführt haben, beeiden. Ob dies die Angelegenheit klärt? Vielleicht legt ja auch Schneiderhan einen Eid ab. Unterschiedliche Interpretationen eines Sachverhalts bedeuten nicht zwangsläufig, dass einer lügt. Allerdings ist der politische Unfug, den Karl-Theodor zu Guttenberg jetzt in der Bild am Sonntag verbreitet, nicht dazu angetan, das Vertrauen in ihn zu stärken. Immerhin: Er wird nicht schwören müssen, dass er selbst daran glaubt.
Das Interview des Ministers ist ein Versuch politischer Volksverdummung. Zu Guttenberg verkündet, dass er nicht mehr davon überzeugt ist, Afghanistan eigne sich als "Vorzeige-Demokratie nach unseren Maßstäben". Potzblitz! Hat er das je geglaubt? Dann ist er nicht von dieser Welt. Für so dumm möchte man den obersten Befehlshaber der Streitkräfte nicht halten müssen.
So dumm waren übrigens auch jene nicht, die den fatalen Kriegseinsatz seinerzeit beschlossen hatten. Um die Bekämpfung des Terrorismus ging es damals, nicht um die Befreiung der Frauen von der Burka. Auch wenn nach der Einnahme von Kabul das Ziel flink und kleidsam umdefiniert wurde. Jetzt meint der Minister, die Taliban müssten in eine Friedenslösung eingebunden werden - bei gleichzeitiger Beachtung der Menschenrechte. Das ist Gewäsch. Und das weiß er.
Bettina Gaus ist politische Korrespondentin und arbeitet seit 1990 für diese Zeitung. Ihr Buch "Auf der Suche nach Amerika. Begegnungen mit einem fremden Land" ist 2008 im Eichborn Verlag erschienen.
Besonders unangenehm stößt auf, dass zu Guttenberg seine Lageeinschätzung mit Kitsch verbindet. An Heiligabend stehe für ihn "die heilige Messe im Mittelpunkt". Und: "Besonders schön empfinden meine Frau und ich, was Kinderaugen einem zu geben vermögen." Das mag so sein, und er soll es gerne genießen. Aber bitte für sich behalten. Die Vermischung von Krieg mit Sentimentalität verbietet sich für einen deutschen Verteidigungsminister. Schon aus Gründen der intellektuellen Redlichkeit.
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