Kommentar (siehe S.22): Großgesellen gefragt
■ Nur Papier statt besserer Ausbildung
Die Botschaft von Bildungsminister Rüttgers ist eindeutig: Seht her, wir tun doch was für unsere „Versager“. Soll bloß keiner behaupten, die „Durchfaller“hätten nichts auf dem Kasten. Die Jungs und Mädels, die bei der Gesellenprüfung durchfallen, können doch was – zumindest praktisch. Sie haben eben ein bißchen in der Theorie versagt. Das ganze wird dann noch auf schwarz-weiß zu Papier gebracht. Ein „kleiner Gesellenbrief“, das ist doch schon was.
Aber was so optimistisch daherkommt, ist Augenwischerei. Der kleine Gesellenbrief macht die Arbeitgeber auf nette Art von einer unangenehmen Verantwortung frei. Sie werden sich dann eben nicht mehr so doll bemühen, ihre Lehrlinge durch die Prüfung zu schleusen. Jetzt gibt es den kleinen Gesellenbrief. Der Jugendliche wird seinen Platz schon woanders finden. Ein Papier dafür hat er ja jetzt.
Neue Ausbildungsordnungen lassen derweil auf sich warten. Und statt das Schulsystem zu reformieren und Jugendliche auf die steigenden Anforderungen in der Ausbildung vorzubereiten, dürfen Berufskammern jetzt kleine Gesellenbriefe schreiben. Solange die Bildungsmannen in Bonn und in den Ländern versagen, müssen die Jugendlichen eben weiter durchfallen. Kleine Gesellen reichen uns auch, so müßte die eigentliche Botschaft aus dem Bildungsministerium lauten. Was wir aber eigentlich brauchen, sind bessere Ausbildungschancen, um Große Gesellen zu bekommen. Katja Ubben
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