Kommentar Zweiter Arbeitsmarkt: Kein Platz für Angeknackste
Die "Integration" von Erwerbslosen in den ersten Arbeitsmarkt ist fast alleiniges Ziel. Was mit denen passiert, die nie dorthin gelangen, interessiert Schwarz-Gelb nicht.
D as Gesetz zu den "Eingliederungschancen" am Jobmarkt und die milliardenschweren Kürzungen bei den Beschäftigungsmaßnahmen, die infolge des Sparpakets fällig werden, markieren auch eine ideologische Wende.
Eingedampft wird der "zweite Arbeitsmarkt", also Maßnahmen, die Tagesstruktur, sinnvolle Betätigung und ein Zubrot verschaffen, aber kaum Eingliederung in einen regulären Vollzeitjob versprechen. Dabei werden auch die alten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) gesetzlich beerdigt.
Man wolle mit dem Abschied vom "zweiten Arbeitsmarkt" den "Lock-in"-Effekt vermeiden, heißt es beim Bundesarbeitsministerium. Damit sind Biografien gemeint, in denen die Erwerbslosen eine Maßnahme nach der andern absolvieren und dadurch angeblich sogar davon abgehalten werden, sich auf dem härteren ersten Arbeitsmarkt einen Job zu suchen. Die "Integration" der Erwerbslosen in einen sozialversicherungspflichtigen Job ist jetzt fast das alleinige Ziel.
Diese Begründung klingt vordergründig - sie entspricht aber nicht den Gegebenheiten bei vielen Empfängern von Arbeitslosengeld II. Die Grundsicherung ist längst auch zu einem Auffangbecken geworden für eine Klientel, die aus gesundheitlichen oder Altersgründen den Anschluss an die Erwerbswelt nicht mehr schafft. Darunter sind Menschen, die sich in anderen EU-Ländern in der Invalidensicherung befinden, bei uns aber in Hartz IV landen.
In einer Gesellschaft, wo der Bezug von Erwerbsminderungsrenten erschwert ist und der gesetzliche Ruhestand immer später beginnt, dürfte der Anteil dieser Betroffenen zunehmen. Ob und wie man diesen BürgerInnen sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten bietet, ist eine künftige soziale Frage. Die Bundesregierung interessiert sich leider derzeit nicht dafür.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
FDP bei der Bundestagswahl
Lindner kündigt Rückzug an
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Bundestagswahl 2025
Mehr gewollt und links verloren