Kommentar Westerwelles Reisen: Gatte in der Retroschleife
Mag sein, dass FDP-Chef Westerwelle es bei seinen Reisebegleitungen mal wieder übertrieben hat. Doch die Medien stürzen sich mit Herdentrieb auf ihn und seine leichte Angriffsfläche.
Am Mittwoch streifte sich Michael Mronz in der Bild-Zeitung die Küchenschürze über. "Gerade weil wir keine eigenen Kinder haben, möchte ich ein Herz für Kinder zeigen", so rechtfertigte der Lebensgefährte des Außenministers seinen Mitflug nach Südamerika. Damit zieht er sich gleich doppelt auf die Rolle der traditionellen Politikergattin zurück. Die hatte zu Hause für die Kinder zu sorgen und die Schirmherrschaft über einen Wohlfahrtsverband zu übernehmen.
Es ist schade, dass Mronz jetzt diese Retropirouette dreht. Vom eigentlichen Thema lenkt er ab: Wie gehen wir damit um, dass die Partnerinnen und Partner des politischen Spitzenpersonals heutzutage eigene Berufe haben? Dass diese Berufe oft sehr nah am politischen Betrieb angesiedelt sind, auf den sich die Sozialkontakte von Politikerinnen und Politikern von Jugend an beschränken? Dass die Interessen folglich kollidieren können?
Es mag sein, dass Westerwelle mal wieder übertrieben hat - wie bei fast allem, was er tut. Dass er seinen Partner zu jedem schnöden Arbeitsbesuch mitschleift, rief von Anfang an Stirnrunzeln hervor. Andererseits hatte es auch sein Gutes, dass der Minister selbst Latino-Machos und religiöse Fundamentalisten mit seiner sexuellen Orientierung konfrontierte.
Mit bemerkenswertem Herdentrieb stürzen sich die Medien mal wieder auf einen Politiker, der ihnen eine leichte Angriffsfläche bietet. Die Kanzlerin steht daneben und schweigt - obwohl sie die Koalition mit Westerwelle doch einst als Wunschbündnis bezeichnete und jene Steuersenkungen, die sie dem FDP-Chef jetzt nicht gönnen will, im Wahlkampf selbst versprach. Immerhin: Ihr Mann begleitet sie nicht auf dienstliche Termine. Gab es deswegen nicht auch schon mal Beschwerden?
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links