Kommentar Wahlschlappe in Australien: Ideologisch überholt
Howards neoliberale Wirtschaftspolitik hat kaum zum Wachstum Australiens beigetragen. Und den Boom regenerativer Energien hat der Klimaskeptiker an Australien vorbeiziehen lassen.
V ertreter der konservativen Parteien Australiens überwarfen sich am Sonntag in ihrem Bestreben, die wirtschaftspolitischen Erfolge des gefallenen Premierminister John Howard zu betonen. Ihm sei es zu verdanken, dass Australien "von der Welt beneidet wird", wie Howard wenig bescheiden in seiner Abschiedsrede selber meinte. Doch Howard-Mythen dürften nun ähnlich rasch fallen wie die Parlamentssitze der liberalen Koalition, die am Samstag reihenweise gekippt sind.
Urs Wälterlin ist Korrespondent der taz in Australien und Neuseeland
Howards neoliberale Wirtschaftspolitik hat nur marginal für das Wachstum Australiens der letzten Jahre beigetragen. Seine Reformen führten in einzelnen Bereichen der Volkswirtschaft sicher zu Fortschritten. Doch vor allem hatte er Glück. Kaum im Amt, wachte Howard über den größten Immobilienboom der Geschichte. Kaum drohte dieser abzuebben, begann die größte Rohstoffhausse der Gegenwart. Australische Firmen können nicht schnell genug baggern, um Chinas Nachfrage nach Kohle und Eisenerz zu stillen. Doch statt die so gewonnen Steuermilliarden für die Zeit nach dem Boom in Ausbildung, Forschung und Entwicklung zu investieren, kürzte Howard in diesen Bereichen. Universitäten bluteten aus. Alternativenergien wurden vom Klimaskeptiker Howard aus ideologischen Gründen negiert - tausende Arbeitsplätze dieser Wachstumsindustrie gingen nach China und Deutschland. Forscher wanderten ab. Australien, zeigen internationale Statistiken, ist auf dem Weg, zu verdummen.
Seine hartlinige, manchmal geradezu manische Verfolgung neoliberaler Prinzipien war es denn auch, die Howard zu Fall brachte. Die Einführung neuer, äußerst ungerechter Arbeitsgesetze war der Hauptgrund für den Tritt, den die Wähler den Konservativen am Samstag gaben. Es wird eine von Kevin Rudds ersten Aufgaben sein, diese Gesetze abzuschaffen. Das hat er versprochen. Dasselbe gilt für das zweite große Thema dieser Wahl: neue Energien. Es ist zu erwarten, dass Rudd mit Enthusiasmus Wind- und Sonnenkraft fördern wird. Ausgerechnet Australien, das sonnigste Land der Welt, hat einiges nachzuholen.
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