Kommentar Wahl in Finnland: Gegen Euro, für Atom
In Finnland geht es immer um den kleinsten gemeinsamen Nenner und nicht um Perspektiven. Erfolg hat also, wer verspricht, die Zeit anzuhalten. Ein guter Nährboden für Populisten.
F innlands umfassendster politische Erdrutsch der Nachkriegszeit beweist, wie verunsichert die Menschen sind und wie sehr sie sich von den bisherigen Parteien allein gelassen fühlen: 19 Prozent stimmten für die rechtspopulistischen "Wahren Finnen".
Im national-konservativen Schneckenhaus, in das die finnische Politik jetzt abdriften könnte, dürfte es aber auf Dauer gar nicht gemütlich sein. Abschotten und Ausklinken werden Finnland erst recht ins Abseits manövrieren. Der Absturz von Nokia, dem einstigen Stolz der Nation, sollte Warnung genug sein. Mangels Innovation rutschte der Konzern von der Weltspitze tief in die Krise.
Das Festhalten an der Dinosaurier-Technologie Atomkraft und das Fehlen energiepolitischen Umdenkens sind nur Symptome für die Trägheit der von einer extremen Konsenskultur gelähmten finnischen Politik: Geht es nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner, haben nicht Neuansätze und zukunftsorientierte Perspektiven die besten Chancen. Im Gegenteil: Erfolg hat, wer verspricht die Zeit anzuhalten oder zurückzudrehen.
REINHARD WOLFF ist Skandinavien-Korrespondent der taz.
Diesmal - der politische Populismus hat hier lange Tradition - gingen die "Wahren Finnen" nicht nur planmäßiger ans Werk. Sie konnten sich auch mit Timo Soini auf einen charismatischen Führer stützen. Und es stimmten die Begleitumstände, mit denen auch vergleichbare europäische Parteien punkten: das Thema Einwanderer.
Dass deren Anteil in Finnland verschwindend gering ist, spielte keine Rolle. Dazu die Furcht vor den Folgen der Globalisierungsfurcht und schließlich die Eurokrise, die richtig teuer zu werden verspricht. Und gleichzeitig werden in Finnland die sozialen Gräben immer tiefer. Vielleicht wachen die etablierten Parteien ja nun auf. Und wenn es ans Neudenken geht, warum nicht gleich bei der Energiewende anfangen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“