Kommentar US-Bankenpleite: Sozialismus à la USA
Werden die USA jetzt sozialistisch? Angesichts der Pleiten im Zuge der US-Immobilienkrise schreien plötzlich alle nach dem Staat.
W erden die USA jetzt sozialistisch? Angesichts der Pleiten im Zuge der US-Immobilienkrise schreien plötzlich alle nach dem Staat. Er soll den inzwischen drei Millionen Hausbesitzern helfen, die von der Zwangsversteigerung des amerikanischen Traums bedroht sind. Und er soll - vor allem - jenen helfen, die diese Krise ausgelöst haben, indem sie Millionen Menschen Ramschkredite in Milliardenhöhe verkauften.
Allerdings hat die tätige Untätigkeit der Bush-Regierung ebendieses Gebaren der Banken aktiv gefördert. Jahrelang haben die Republikaner ihre Doktrin vom kleinen Staat großgeschrieben, wurden vorhandene Regularien ausradiert und neue Aufsichtsregeln abgelehnt. Jahrelang wurde die private Verschuldung wahnwitzig gefördert, das Wirtschaftswachstum auf Sand gebaut, der Staatshaushalt im größten Defizit aller Zeiten versenkt.
Und nun? Nun hat die US-Notenbank die Pleitegeier des noblen Investmenthauses Bear Stearns verschachert. Nun wurde der größte börsennotierte Baufinanzierer IndyMac in massiven Kapitalnöten vom Staat übernommen. Und nun soll der Staat auch die beiden größten US-Hypothekenfinanzierer retten - dabei unterliegen Fannie Mae und Freddie Mac ohnehin der staatlichen Kontrolle.
Fannie Mae wurde im Rahmen des New Deal gegründet, um mittleren und unteren Einkommen zum eigenen Haus zu verhelfen. Die halbstaatliche Firma kauft den privaten Banken ihre Hypotheken ab, damit diese mit dem Erlös neue Kredite verkaufen können. Fannie und Freddie besitzen oder garantieren nun die Hälfte der amerikanischen Hauskredite über insgesamt 12 Billionen Dollar. Diese gefährlich dominante Marktstellung haben die Lobbyisten der Wall Street im Kongress durchgedrückt - einsame Warner wurden stets als "Sozialisten" beschimpft.
Keine Frage: Der Staat muss und wird Fannie und Freddie und weitere Familienmitglieder dieser Zugewinngemeinschaft retten, um die US-Wirtschaft vor dem Kollaps zu bewahren. Die wahren Opfer dieser Krise dagegen können nicht mit einer Sozialisierung der Kosten rechnen: Präsident Bush hat sein Veto gegen ein Hilfsprogramm des Kongresses für überschuldete Hauskäufer angekündigt.
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