Kommentar UN-Bericht: Zukunftsfrage Zuwanderung
Der neue UN-Bericht zur menschlichen Entwicklung rückt das Thema Migration in den Mittelpunkt. Der Bericht ist für Schwarz-Gelb eine Herausforderung.
Z uwanderung gehört nicht zu den Themen, die die Bundestagswahl entschieden haben. Aber sie könnte über die Zukunft der Bundesrepublik entscheiden. Darauf macht der neue UN-Bericht zur menschlichen Entwicklung aufmerksam, der dieses Jahr das Thema Migration in den Mittelpunkt rückt und nicht weniger als einen "New Deal" für Migranten auf der Welt fordert. Denn schon jetzt trägt Migration mit jährlich Hunderten von Milliarden Dollar zur Weltwirtschaft bei, und ihr Ausmaß und ihre Bedeutung werden in den kommenden Jahrzehnten zunehmen.
Es geht um einen Bewusstseinswandel. Mobilität ist keine Ausnahmeerscheinung auf der Welt, sondern ein selbstverständlicher Bestandteil der persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Aber nationalstaatliche Politik kann damit bis heute nicht umgehen.
Staatsbürger überall auf der Welt haben es immer noch am einfachsten, wenn sie sich nicht bewegen. Wohnort und Arbeitsstelle zu wechseln, ohne dabei Rechte einzubüßen, erfordert meist hohen bürokratischen Aufwand. In ein anderes Land zu ziehen oder gar die Staatsbürgerschaft zu wechseln ist heute für die Mehrheit der Menschen schwieriger als je zuvor, obwohl die Kommunikation zwischen den Kontinenten noch nie so einfach war. Ein internationaler Maßstab für effektive Wirtschaftspolitik heute ist die Zahl der Schritte und Tage, die zur Gründung eines neuen Unternehmens erforderlich sind - aber nicht, wie schwierig es ist, sich als Mensch in der Fremde eine legale Existenz aufzubauen.
Dominic Johnson ist Afrika-Redakteur im taz-Auslandsressort.
Für Deutschlands neue schwarz-gelbe Regierung ist der UN-Aufruf eine Herausforderung. Deutschland gehört zu den Ländern mit schrumpfender Bevölkerung, für die ungebremster Zuzug aus dem Ausland überlebensnotwendig ist. Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit: Deutschland verdient viel Geld an der Migration, denn Deutsche in der Fremde steuern per Rücküberweisung mehr zum deutschen Wohlstand bei als Migranten in Deutschland zu dem ihrer Heimatländer, nicht zuletzt weil es viel schwerer ist, sich als Ausländer in Deutschland niederzulassen als umgekehrt.
Wie wird die neue Regierung das wahlprogrammatische Bekenntnis der FDP, Deutschland sei ein Einwanderungsland, mit dem traditionellen Misstrauen von CDU/CSU gegen "Überfremdung" vereinbaren? Nicht zuletzt daran misst sich, ob Deutschland unter Schwarz-Gelb zukunftsfähig wird.
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