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Kommentar Türkei und IsraelErdogan auf Eskalationskurs

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Der schwelende Konflikt zwischen der Türkei und Israel droht völlig aus dem Ruder zu laufen. Erdogan sieht die Chance, sein Land zur Vormacht im Nahen Osten zu machen.

W erden von Deutschland gelieferte israelische U-Boote demnächst Kriegsschiffe des Nato-Mitgliedstaats Türkei im östlichen Mittelmeer versenken? Gehen die beiden stärksten Militärmächte dieser Region bald frontal aufeinander los? Fest steht: Der schwelende Konflikt zwischen beiden Ländern droht völlig aus dem Ruder zu laufen.

Zwischen Israel und der Türkei ist ein Krieg der Worte entbrannt, seit vergangene Woche ein UN-Untersuchungsbericht die israelische Blockade Gazas für legitim erklärte. Der türkische Premier Tayyip Erdogan bezichtigt die Israelis des Staatsterrorismus - und kündigte an, zukünftig türkische Hilfskonvois für Gaza von türkischen Kriegsschiffen begleiten lassen. Israels Außenminister Avigdor Liebermann plant im Gegenzug angeblich, die kurdische Separatisten-Guerilla PKK zu bewaffnen.

Hintergrund der harschen Rhetorik ist, dass sich Erdogan seit längerem von Lieberman und dessen Regierungschef Benjamin Netanjahu gedemütigt fühlt. Zudem frustriert den türkischen Premier, dass weder die USA noch Europa Israel dazu zwingen, sich seinem einstigen Verbündeten gegenüber respektvoll zu verhalten.

taz
Jürgen Gottschlich

ist Türkei-Korrespondent der taz.

Gleichzeitig sieht Erdogan die Chance, sich durch den Konflikt mit Israel in der arabischen Welt zu profilieren und sein Land zur Vormacht im Nahen Osten zu machen. Die Eskalation findet deshalb nicht zufällig vor einer geplanten Reise Erdogans nach Kairo statt: Jetzt kann er dort auf einen begeisterten Empfang hoffen.

Diese Politik ist hoch riskant. Erdogan lenkt die Energien des arabischen Frühlings zurück in die alte Konfrontationspolitik mit Israel - und setzt eine Spirale in Gang, die er nicht mehr stoppen kann. Auch wenn der türkische Premier keinen Krieg mit Israel will: Seine Politik bedroht den labilen Nicht-Kriegszustand im Nahen Osten.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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6 Kommentare

 / 
  • O
    ossy

    Ja! Erdogan ist schuld und ist wieder der Böse wicht, weil er das Ausspricht was andere denken. Nein er ist sogar ein fundamentaler Islamist. Ja, fast schon so schlimm wie Osama Bin Laden nur in Anzug, und Liebermann und co. sind Unschuldslämmer. Wenn ich schon die Kommentare lese kann ich sagen das Deutschland aus der NATO aussteigen sollte. Deutschland ist sowieso kein verlässiger Partner. Weder hält es Verträge die es mit Türkei abgeschlossen hat (EG) noch wird es einschreiten wenn der Bündnisfall eintrifft. Achso ehe ich es vergesse Amerika wirde es schon für Israel richten. ISt ja eh der große Bruder, und der kleine kann sich weiter hin austoben wie er will.

  • S
    Stefan

    Mit welchem Recht kann der Israel-Hasser Erdogan verlangen von den Israelis mit Respekt behandelt zu werden? ER hat die gute Verbindung der Türkei zu Israel vernichtet. Nicht die Türkei, sondern Erdogan ist das Problem.

  • N
    Neo

    Wundert sich eigentlich hier niemand, warum es in London, Paris, Berlin, Brüssel oder Washington so ruhig ist und keiner Ankara bzw. MP Erdogan zur Zürückhaltung aufruft?

     

    Diese Aktionen der Türkei wurden mit Brüssel und Washington längst abgestimmt, da man in diesen Ländern aus innenpolitischen oder historischen Gründen nicht in der Lage ist, Israels Regierung mit dem Hardliner Lieberman, die Grenzen seiner völkerechtswidrigen Politik aufzuzeigen.

     

    Türkische und israelische Vermittler haben seit fast einem Jahr verhandelt, die Beziehungen waren wieder Bestens, Israel wollte sich entschuldigen und Entschädigungen für die türkischen Toten (so nebenbei: fast alle waren türkische Kurden)zahlen. Nur im israelischen Kabinett gab es von einer Person Widerstand von Avigdor Lieberman, der immer wieder eine Entschuldigung ablehnte. Die Verhandlungen liefen noch, als der UN-Bericht der NYT von den Lieberman-Handlangern vorzeitig untergeschoben wurde, um die laufenden Verhandlungen zwischen Ankara und Tel Aviv abrechen zu lassen.

     

    Zum Glück wird in Israel bald gewählt und diese Regierung mit dem Saboteur Lieberman ist dann wahrscheinlich erstmal weg und die Beziehungen Israel-Türkei werden sich wieder normalisieren.

  • K
    König

    Welch sachlicher Kommentar. Ist der Autor wirklich Türkeiexperte?

  • UR
    Uwe Rühling

    Zwischen der Türkei und Israel bahnt sich ein handfester Konflikt an. Tatsächlich sind nicht notleidende Palästinenser sondern wirtschaftliche Interessen der Knackpunkt. Es geht um Erdgas.

     

    Nachfrage: Gedenkt diese unsere Bundesregierung den Verteidigungsfall im Sinne des NATO-Vertrages anzunehmen, wenn die türkische Marine einen Präventivschlag Israels provoziert? Die klare Position und die klare Botschaft an die Türkei, dass hier Schluss ist, fehlt in der poltischen Landschaft der Bundesrepublik.

     

    Auszug aus dem NATO-Vertrag:

     

    “Art. 5

    Die Parteien vereinbaren, daß ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, daß im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten. Von jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten.

     

    Art. 6

    Im Sinne des Artikels 5 gilt als bewaffneter Angriff auf eine oder mehrere der Parteien jeder bewaffnete Angriff

    (i) auf das Gebiet eines dieser Staaten in Europa oder Nordamerika, auf die algerischen Departements Frankreichs, auf das Gebiet der Türkei oder auf die der Gebietshoheit einer der Parteien unterliegenden Inseln im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses;

    (ii) auf die Streitkräfte, Schiffe oder Flugzeuge einer der Parteien, wenn sie sich in oder über diesen Gebieten oder irgendeinem anderen europäischen Gebiet, in dem eine der Parteien bei Inkrafttreten des Vertrags eine Besatzung unterhält, oder wenn sie sich im Mittelmeer oder im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses befinden.”

  • V
    vic

    "Erdogan auf Eskalationskurs"

    Während "Außenminister" Liebermann wie immer voll auf Diplomatie setzt.