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Kommentar StudienkostenSchlappe für Humboldt

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Die Richter vom Bundesfinanzhof haben, als sie Studienkosten als Werbungskosten anerkannten, ganz nebenbei das humanistische Bildungsideal entwertet.

E inspruch, Euer Ehren!", hätte er wahrscheinlich gerufen. Gemeint ist nicht Finanzminister Wolfgang Schäuble, sondern der Gelehrte Wilhelm von Humboldt. Die Richter vom Bundesfinanzhof haben, als sie Studienkosten als Werbungskosten anerkannten, ganz nebenbei die humanistische Bildungsidee durchkreuzt.

Sie befanden, dass der Mensch nicht zweckfrei und zur Menschbildung studiere, sondern dass ein Studium vorrangig zur Sicherung des späteren Erwerbs dient. Sie stellten Nützlichkeitsaspekte voran. Das Frohlocken der Studierenden über das Urteil ist daher verfrüht. Es könnte am Ende sehr teuer werden für sie.

Nicht unerwartet begrüßten denn auch die Politiker von Union und FDP das Urteil als bildungsgerecht und fordern nun vom Finanzminister, es rasch umzusetzen. Die Entscheidung der Richter ist nämlich Wasser auf ihre Mühlen. Mit derselben Begründung fordern sie Studiengebühren: Ein Studium diene der späteren Profilierung im Beruf und rentiere sich. Wieso also nicht Studenten an den Kosten der Ausbildung beteiligen?

taz
Anna Lehmann

ist Bildungsredakteurin im taz-Inlandsressort.

Die Gegner von Studiengebühren, die stets mit dem humboldtschen Bildungsideal operieren und ein Studium als Wert an sich bezeichnen, geraten tatsächlich in Erklärungsnot. Mediziner wie jene Klägerin stehen nicht am unteren Ende der Einkommenspyramide. Es schmeckt komisch, wenn solche Gutverdiener vom Staat anteilig Kosten für Bücher zurückfordern, die durchschnittlich mit 86 Euro monatlich zu Buche schlagen - und ihnen der Staat zusätzlich ein Studium im Wert von 200.000 Euro bezahlte.

Statt in Jubel auszubrechen, ist das Urteil also eine Aufforderung an alle linken Humboldt-Jünger, für einen modernen Bildungsbegriff zu kämpfen, der reine Nutzenorientierung mit Weltbildung paart. Und für eine sozial gerechte Studienfinanzierung.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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5 Kommentare

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  • M
    Mariuzs

    Witzig, ein typischer taz-Artikel - es wurde null recherchiert, es wird nichts abgewogen, es wird wild irgendwas unterstellt, peinlichste Platituden. Das Niveau ist echt im Keller - und ich stelle jetzt auch erst mal, ganz im Sinne des BFH, Nützlichkeitsaspekte voran und spende der taz keinen Euro, so einen Müll kann man nämlich nur auf eine Weise verschwinden lassen; durch den guten alten, ach so bösen Markt. Keiner kauft mehr die taz, weil Artikel scheiße - taz verschwindet vom Markt.

     

    Übrigens sollte man aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit die Studiengebühren mindestens verzehnfachen - und das das BAFÖG, steinreiche Studenten, die sich künstlich arm rechnen, noch reicher zu machen, weiß nun auch mittlerweile jeder.

  • NE
    noch eine studentin

    Der Artikel ist zwar zweifelsohne gut gemeint, bringt aber aus meiner Sicht die Themen durcheinander... Das Humboldsche Bildungsindeal ist nicht erst seit heute (gestern, letztes Jahr...) passé, und das Studium wird schon längst als Investition (wenn es um Studierende selber geht) oder aber als Ressourcenveredelung für den Arbeitsmarkt gesehen.

    Dennoch kann und soll das Urteil des Bundesfinanzhofes kritisiert werden, denn solche Lösungen gehen komplett am Problem vorbei... Es ist zum Beispiel noch vollkommen unklar, wie das mit den Menschen aussehen wird, die im Studium von BAFöG gelebt haben. Dabei ist das BAFöG-System eine sozialdarwinistische Katastrophe: eine amtliche Überwachung der Armen, behördliches Anzetteln zum Betrug für Reiche (man kann sich Leistungen relativ leicht erschleichen, und kriegt auch noch Begünstigungen, wenn man das Geld - woher hat man das bloß so plötzlich??? - direkt nach dem Studium auf einmal zurückzahlt), ständige Erniedrigung, weil man ja auf Kosten Anderer lebt, und Leistungsdruck (wenn man nicht dem Durchschnitt entspricht, werden die Leistungen entzogen, und die Regelstudienzeit darf man in der Regel auch nich überschreiten). Und das alles wofür? - für ein Leben auf dem ALG-II-Niveau (ich meine es ernst, vergleicht die Sätze doch rein monetär, es kommt fast das Gleiche raus!) und mit einem Riesenberg Schulden fürs Leben (BAFöG ist mindestens zur Hälfte ein Darlehen!)?

    Die meisten der ärmeren Studierenden schaffen es wahrscheinlich nicht, in vier Jahren so weit aufzusteigen, dass sie von den neuen Steuerbegünstigungen profitieren können. Abgesehen davon dauert ein normales Studium (mit einem Masterabschluss nach dem Bachelor) weit mehr als vier Jahre... Die Armut wird weiterhin bestraft, und Kinder haften dabei für ihre Eltern.

    Statt den Menschen unabhängig von ihrer tatsächlichen sozialen Situation Steuererleichterungen oder Deutschland-Stipendien zu bescheren, sollte man sich eher um diejenigen kümmern, die die Förderung wirklich brauchen - und verdienen! Da hilft nur die Abschaffung des BAFöG-Systems in seiner jetzigen Form zugunsten einer sozialen, und nicht sozialchauvinistischen, Studienfinanzierung.

  • S
    Studentin

    Mein Gott, ist das ein kramfhafter Artikel nach dem Motto "Hauptsache dagegen" - und was man leider sehr deutlich merkt: Von den Humboldtschen Bildungsidealen hat die Verfasserein so viel Ahnung wie ein Elefant vom Fahrradfahren, der Sinn der "Ideale" war nämlich immer schon die Abgrenzung der Adelskinder von den wertlosen Arbeiterkindern, die etwas Sinnvolles studieren müssen und sich nicht weltfremden Idealen hingeben können. Insofern bricht die taz hier eine Lanze für Leute, die so unglaublich reich sind, dass sie zweckfrei studieren können, was sie wollen, und sich nicht mit niederen Fächerm wie z.B. Medizin befassen müssen.

     

    Ein ekelhafter Artikel.

  • I
    Ilona

    Die Richter haben der Realität Rechnung getragen, wie sie heute - leider - ist. Gerade das Bildungswesen in der neoliberalisierten "Wissensgesellschaft" ist inzwischen extrem verwirtschaftlicht, das heißt: an wirtschaftlichen Interessen und Effizienz ausgerichtet wie alle anderen Bereiche der Gesellschaft. Da ist es nur konsequent, dass diese bisher in rein privater Verantwortung verbliebene 'Investition' auch steuerlich behandelt wird wie das Leasing eines Geschäftswagens. Nicht nur Privilegierte profitieren, sondern vor allem doch Studenten aus schwächeren Familien, die ihr Studium mit Krediten und Nebenjobs finanzieren und beim Eintritt in ein ohnehin unsicheres Berufsleben diese Schulden abstottern müssen. Nicht wenige Akademiker wie Assistenzärzte verdienen netto unter 2000 € oder weniger, haben Familie.

     

    Humboldt? Wer war das? Idealismus war gestern. Wenn in den 70ern Abiturienten sagten, was sie studieren wollen, hieß es: Medizin, ich will Arzt werden.... Jura, ich will Anwalt werden.... Pädagogik, ich will Lehrer werden.... Pharmarzie, ich will Apotheker werden oder in die Forschung. Ein klares Berufsbild mit Sinn und sicherer Perspektive. Heute heißt es: Ich will Karriere machen! Fettes Geld verdienen! Oder einfach nur einen coolen Job, also "in die Wirtschaft". Wenn das allerdings nicht klappt, sie auf der Strecke bleiben, dann bleibt wirklich nichts mehr von der Bildung als Module, Klausuren, längst überholtes Wissen – und abgefadetes Partylife. Eine Fehlinvestition. Traurig.

  • K
    kleinalex

    Hm. Ich habe offensichtlich zu selten mit Menschen aus Elfenbeinturmland zu tun. Bisher habe ich noch keinen einzigen Studiengebührengegner getroffen, der Studiengebühren für schlecht hielt, weil sie die Idee der Bildung zur Menschwerdung beeinträchtigen würden.

     

    Studiengebühren werden meinen Erfahrungen nach mehrheitlich wegen ihrer negativen Auswirkungen auf 'weltliche' Dinge, die da sind: Gleichberechtigung, vertikale gesellschaftliche Mobilität, Trennung der 'Würde des Menschen' vom Einkommen.

     

    Aus naheliegenden Gründen wären sehr viele Menschen, die gegen das sind, was größtenteils an Studiengebühren rumläuft, ohne weiteres bereit, ein System von nachgelagerten Studiengebühren, die einkommensabhängig bezahlt werden, zu unterstützen.

     

    Andererseits, eigentlich haben wir sowas schon. Es nennt sich 'Einkommenssteuer'. Wenn die denn alle in angemessenem Umfang zahlen dürften, wäre das Problem gelöst.