Kommentar Studienkosten: Schlappe für Humboldt
Die Richter vom Bundesfinanzhof haben, als sie Studienkosten als Werbungskosten anerkannten, ganz nebenbei das humanistische Bildungsideal entwertet.
E inspruch, Euer Ehren!", hätte er wahrscheinlich gerufen. Gemeint ist nicht Finanzminister Wolfgang Schäuble, sondern der Gelehrte Wilhelm von Humboldt. Die Richter vom Bundesfinanzhof haben, als sie Studienkosten als Werbungskosten anerkannten, ganz nebenbei die humanistische Bildungsidee durchkreuzt.
Sie befanden, dass der Mensch nicht zweckfrei und zur Menschbildung studiere, sondern dass ein Studium vorrangig zur Sicherung des späteren Erwerbs dient. Sie stellten Nützlichkeitsaspekte voran. Das Frohlocken der Studierenden über das Urteil ist daher verfrüht. Es könnte am Ende sehr teuer werden für sie.
Nicht unerwartet begrüßten denn auch die Politiker von Union und FDP das Urteil als bildungsgerecht und fordern nun vom Finanzminister, es rasch umzusetzen. Die Entscheidung der Richter ist nämlich Wasser auf ihre Mühlen. Mit derselben Begründung fordern sie Studiengebühren: Ein Studium diene der späteren Profilierung im Beruf und rentiere sich. Wieso also nicht Studenten an den Kosten der Ausbildung beteiligen?
ist Bildungsredakteurin im taz-Inlandsressort.
Die Gegner von Studiengebühren, die stets mit dem humboldtschen Bildungsideal operieren und ein Studium als Wert an sich bezeichnen, geraten tatsächlich in Erklärungsnot. Mediziner wie jene Klägerin stehen nicht am unteren Ende der Einkommenspyramide. Es schmeckt komisch, wenn solche Gutverdiener vom Staat anteilig Kosten für Bücher zurückfordern, die durchschnittlich mit 86 Euro monatlich zu Buche schlagen - und ihnen der Staat zusätzlich ein Studium im Wert von 200.000 Euro bezahlte.
Statt in Jubel auszubrechen, ist das Urteil also eine Aufforderung an alle linken Humboldt-Jünger, für einen modernen Bildungsbegriff zu kämpfen, der reine Nutzenorientierung mit Weltbildung paart. Und für eine sozial gerechte Studienfinanzierung.
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