Kommentar Stromausfall: Einfach mal zuhören
Es würde der Debatte gut tun, wenn Umweltverbände und Energielobby miteinander reden, anstatt sich zu misstrauen. Das wäre das beste Mittel gegen den Stromausfall.
D eutschland erinnert derzeit an einen Hühnerstall, zumindest, was die Energiedebatte angeht. Bei jeder Gelegenheit wird gegackert, man pickt sich aus dem Fundus an Studien und Experten das raus, was die jeweils eigene Position untermauert. Man könnte auch sagen: Eine ausgewogene Diskussion, in der die Kontrahenten - Atomkraftgegner und -befürworter - aufeinander eingehen, findet kaum statt.
Jüngstes Beispiel: Die Übertragungsnetzbetreiber warnen vor Stromausfällen im Winter. Ein Schachzug der Atomkraftlobby, um ihre AKWs am Netz zu halten? Oder die Warnung von Ingenieuren, die zur Rechenschaft gezogen werden, wenn das Netz zusammenbricht?
Das Traurige dabei: Die Frage ist kaum zu beantworten, obwohl es sich eigentlich um berechenbare Vorgänge handeln sollte. Denn die vier großen Stromkonzerne EnBW, RWE, Vattenfall und Eon haben in den letzten Jahren alles getan, um ihre Glaubwürdigkeit komplett zu verlieren.
INGO ARZT ist Redakteur im taz-Ressort "Umwelt und Wirtschaft".
Selbst wenn die Warnung gerechtfertigt sein sollte - sie könnte genauso gut ein politisches Manöver sein. Auf der anderen Seite stehen viele Umweltverbände, die wie eine Opposition im Parlament funktionieren. Sie können fordern, umsetzen müssen sie nicht.
Tatsächlich ist die Stabilität eines Stromnetzes weitaus komplexer, als ihre groben Hochrechnungen von Stromflüssen und Kraftwerkskapazitäten oft ergeben.Wobei gesagt werden muss: Umweltverbänden glaubt man wesentlich leichter als Unternehmen, die Politik beeinflussen wollen, um ihre Wirtschaftsinteressen durchzusetzen - und das auch noch als Dienst am Allgemeinwohl darstellen.
Mitten in dem Debatten-Schlamassel sitzen die Bürger, denen oft nur ein Fragezeichen bleibt. Es würde der Debatte über die Energiewende gut tun, wenn beide Seiten aufeinander zugingen: die Argumente des anderen ernst nehmen und nicht gleich als ökoideologisch oder atomlobbygetrieben abtun. Das wäre das beste Mittel gegen Stromausfälle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin