Kommentar Strategie von Schwarz-Gelb: Die ganz alten Reflexe
Die schwarz-gelbe Politik ist derzeit ziemlich unbeliebt. Die Wähler mögen weder die Gesundheitsreform noch AKW-Laufzeitverlängerung.
S chwarz-Gelb will verstärkt gegen Zwangsehen und Integrationsverweigerer vorgehen. Konservative Innenpolitiker wie Wolfgang Bosbach kündigen an, dass nun streng durchgegriffen werde.
Also wird ein Gesetz verabschiedet, die Regierung tut etwas. Wer näher hinschaut, erkennt den reinen Aktionismus. Zwangsehen sind längst strafbar, abstrus sind die grimmigen Bekundungen, sich nun die Integrationsverweigerer vorzuknöpfen. Ausländern, die ohne Begründung den obligatorischen Sprachkurs schwänzen, wird schon jetzt Hartz IV gestrichen, sie können deswegen sogar ausgewiesen werden. Laut Bundesamt für Migration sind sowieso nur Einzelfälle bekannt, in denen sich Migranten um den Kurs gedrückt haben. Dafür gibt es Tausende, die ihn gern freiwillig belegen würden, dies aber mangels Angebot nicht können. Die Union erweckt trotzdem unverdrossen den Eindruck, jetzt endlich ein wesentliches, von den Multikulti-Ideologen verschlepptes Problem der Einwandererpolitik anzupacken.
Kurzum: Der "Integrationsverweigerer" entspricht allen Vorurteilen, die gerade kursieren. Er ist faul, weigert sich, Deutsch zu lernen, kassiert Hartz IV und hält sich nicht an unsere Regeln. Der "Integrationsverweigerer" ist die ideale Projektionsfläche, auf die die Union die hässliche, durch die Sarrazin-Debatte sichtbar gewordene Wut der Mehrheitsgesellschaft lenken will. Ein bekanntes Muster.
Stefan Reinecke ist Inlandsredakteur der taz.
Die schwarz-gelbe Politik ist derzeit ziemlich unbeliebt. Die Wähler mögen weder die Gesundheitsreform noch AKW-Laufzeitverlängerung. Offenbar liegt es für die Konservativen noch immer nahe, wie in einem Reflex billig Punkte auf Kosten von Minderheiten zu machen. War die Union nicht schon mal ein bisschen weiter?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen