Kommentar Schwedens Flüchtlingspolitik: Offensive gegen Populismus
Die schwedische Regierung geht in die Offensive und setzt sich für eine liberalere Ausländerpolitik ein. Dafür gebührt ihr Lob – aber nicht vorbehaltlos.
S TOCKHOLM taz Von ausländerfeindlichen und antiislamischen Parteien unter Druck gesetzt, ist die allzu häufige Reaktion von etablierten demokratischen Parteien und Regierungen, diesen Positionen hinterherzuhecheln und eine repressive Politik zu verfolgen. Eines der abschreckenden Beispiele dafür ist Dänemark, dessen Ausländerpolitik sich unter dem Einfluss einer rechtspopulistischen Partei binnen weniger Jahre zur restriktivsten in der EU entwickelt hat.
Deshalb war die Besorgnis groß, dass auch Schweden den Weg Dänemarks, Österreichs oder der Niederlande gehen könnte, als vor einigen Monaten die Rechtsaußenpartei Schwedendemokraten in den Reichstag einzog. Doch nun setzt die schwedische Regierung auf ein bislang noch nirgendwo erprobtes Gegenrezept. Sie geht in die Offensive und rammt demonstrativ Pflöcke am Weg zu einer liberaleren Ausländerpolitik ein. Mehr Rechte für die Papierlosen und großzügigere Einwanderungsregelungen sollen einige der Konflikte entschärfen, aus denen die Ausländerfeinde bisher erfolgreich Kapital schlagen konnten.
Stockholm beendet damit zwar teilweise nur eine Rechtspraxis, die sowieso einen Verstoß gegen internationale Konventionen dargestellt hatte oder die praktisch weithin ins Leere lief, weil sich die Zivilgesellschaft bis hin zu Schulrektoren und ÄrztInnen bei ihrer Hilfe für Papierlose von ihrem eigenen moralischen Kompass und nicht von einer unmenschlichen Gesetzgebung leiten ließen.
REINHARD WOLFF ist Skandinavien-Korrespondent der taz.
Das schmälert aber nicht das ausdrückliche Lob für eine konservativ-liberale Regierung, die gegen den fremdenfeindlichen Strom schwimmen will. Das Lob hätte noch vorbehaltloser ausfallen können, hätte nicht erst ein gehöriges Maß an politischem Kalkül die Regierung zu dem überfälligen Kurswechsel veranlasst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens