Kommentar SPD: Verachtung für die eigene Basis
Die neue SPD-Riege hat es noch nicht verstanden. Ohne die Basis zu befragen, haben sie die Posten aufgeteilt. Eine Kurs-Debatte wurde nicht geführt. Wie soll die SPD da überleben?
I n der Not scheint die neue SPD-Spitze um Sigmar Gabriel und Andrea Nahles die Partei wiederzuentdecken. Die Führungsgenossen wollen demütig die Basis aufsuchen, sie versprechen mehr Demokratie, sie wollen eine offene Debatte um den Kurs der Partei wagen und die Mitglieder beteiligen. Das sind schöne, wohlgesetzte Worte - nicht mehr.
In der SPD-Führung hat sich in den letzten elf Jahren eine stillschweigende und fast ins Selbstverständliche gerutschte Haltung der Verachtung für die eigenen Basis entwickelt. Aus dem Blickwinkel der Regierungszitadelle erschien die SPD-Basis als eine lästige Traditionskompanie, die sich verstockt weigerte, die weitsichtige Agendapolitik von Steinmeier & Co zu kapieren. Schröders Basta-Stil ließ oft gerade aktive Genossen verzweifeln. Oder zur Linkspartei wechselten. So kam ein fataler Kreislauf in Gang: Die Führung entschied, die Basis zog sich enttäuscht zurück.
Die SPD hat einen furchtbaren Schlag erlitten, der ihre Existenz als Volkspartei in Frage stellt. Und was tut die Parteielite? Sie bestimmt, wie unter Schröder und Müntefering gelernt, schnell und effektiv die neue Spitze. Die Gremien stimmen unter Murren zu.
Sigmar Gabriels Basistour ist kein offenes Angebot. Es ist der holprige Versuch, eine Entscheidung, die mal wieder feststeht, absegnen zu lassen. Außerdem soll die ganze Partei nun elf Jahre Regierungszeit resümieren. Diese Debatte ist überfällig. Sie wird nicht schön werden, kaum anregend, eine ideologisierte Schlacht um die Agenda 2010.
Aber sie muss geführt werden. Und zwar ohne dass das Ergebnis schon vorher feststeht. Gabriel indes verkündet jetzt schon, dass die elf Jahre exzellent waren und die Debatte übrigens in drei Monaten beendet sein wird. Das ist Basta light. Sie haben es noch immer nicht verstanden. Sie werden es noch lernen.
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