Kommentar SPD-Parteitag: Partei ohne Leidenschaft
Die manische Fixierung der SPD auf Hartz IV und Agenda 2010 verstärkt den Eindruck, dass gesellschaftliche Zukunftsfragen bei der Partei kaum noch vorkommen.
Innovation und Gerechtigkeit, Erneuerung aus Tradition: Wann immer die SPD im vergangenen Jahrzehnt zu Parteitagen zusammenkam, prangten solche Wortpaare an der Wand des Tagungssaals - stellvertretend für die Pole, zwischen denen die Partei hin und her zuckte. Auf dem aktuellen Parteitag in Dresden stehen dort nur drei Wörter: Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Die SPD ist auf sich selbst zurückgeworfen.
Seltsam leidenschaftslos hat sich am Freitag Franz Müntefering als Parteivorsitzender verabschiedet, der Mann, der Inhalte und Politikstil entscheidend prägte; der die Partei mehrfach zu Wahlsiegen führte und den am Schluss der politische Instinkt verließ. Was hätte er auch sagen sollen? Abbitte leisten für sein Wirken? Oder im Gegenteil die Partei beschimpfen und sie bei seinem Abgang noch ein Stückchen weiter in den Abgrund reißen?
Müntefering kann der Partei nicht mehr helfen, und auch die offene Aussprache, die in Dresden so penetrant beschworen wurde, kann es nur bedingt. Schon deshalb, weil es der SPD an Selbstbespiegelung am allerwenigsten gefehlt hat. Was nützt es, wenn Sozialdemokraten noch inniger als bisher schon über den historischen Sinn von Hartz IV und Agenda 2010 streiten? Diese manische Fixierung verstärkt eher den Eindruck, dass gesellschaftliche Zukunftsfragen von der Bildung bis zur Klimapolitik bei der SPD kaum noch vorkommen.
In ihrer Wählerstruktur ist die SPD viel mehr Volkspartei als die CDU, personell und thematisch vermag sie dieses Spektrum viel weniger abzudecken. In den letzten Jahren hat sie die Linkspartei groß gemacht, die Grünen vergrault und die CDU unterschätzt. Zuletzt erlitt sie sogar das schlimme Schicksal, von keinem mehr gehasst zu werden. So wird die offene Diskussion nur zu einem neuen Schlagwort, um die alten Widersprüche zu bemänteln.
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