piwik no script img

Kommentar Rumäniens PräsidentEuropas einäugige Reaktionen

Kommentar von William Totok

Die Sozialdemokraten in Europa unterstüzen Rumäniens Ministerpräsidenten, die Konservativen den Präsidenten. Und beide Seiten schätzen die Lage falsch ein.

D ie Vorwürfe, mit denen sich in Rumänien das Lager des Präsidenten Traian Basescu und das der Regierung Victor Pontas überschütten, ähneln einander: Amtsmissbrauch, Vetternwirtschaft, Überschreitung der Machtbefugnisse, Missachtung der Verfassung. Der Katalog ist lang, Beispiele für den jeweiligen Vorwurf lassen sich auf beiden Seiten finden.

Und wie reagiert Europa? Der sozialdemokratische EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bezeichnet den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Rumäniens als seinen Freund. Trotz massiver Plagiatsvorwürfe, trotz trickreicher Gesetzesänderungen, die auf die Ausschaltung politischer Gegner abzielen. Das konservative Lager bietet Basescu uneingeschränkt Schützenhilfe.

Dabei wird vergessen, dass die Partei des Präsidenten zuerst Mitglied der Sozialistischen Internationale war, um dann eine 180-Grad-Wendung zu vollziehen, die ihr den Weg für die Aufnahme in die Familie der Europäischen Volksparteien ermöglichte. Die Konservativen in der EU sind nun plötzlich äußerst besorgt, sprechen sogar von einem „Staatsstreich“.

DER AUTOR

WILLIAM TOTOK ist Schriftsteller und Publizist. In seiner Heimat Rumänien gehörte er in den 1970er Jahren zum Dissidenten-Literaturkreis „Aktionsgruppe Banat“, seit 1987 lebt er in Berlin. Zuletzt forschte er zur Geschichte des Holocaust in Rumänien.

Beide Seiten lassen dabei eines unter den Tisch fallen: Alle Parteien, die seit der Wende in Rumänien an der Macht waren, haben sich nur um die eigenen Pfründen geschert und die eigenen Interessen verfolgt. Solidarität oder soziale Marktwirtschaft waren den Regierenden in Bukarest stets verpönte Fremdwörter. Europa hat weggesehen und lieber geschwiegen.

So unhaltbar die Situation in Rumänien derzeit ist, so falsch sind die Einschätzungen der aktuellen Lage durch die Akteure auf der europäischen Bühne. Je nach politischer Couleur scheinen alle auf einem Auge blind zu sein, wenn es darum geht, das Bukarester Politdrama in seiner wahren Dimension darzustellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • LO
    Leserin ohne Diplom

    Ich liebe die Berufskommentatoren! In Rumänien werden sie "Postaci" genannt . USL-Postaci.

  • P
    Politologe

    Basescu lässt sich mit Berlusconi vergleichen. Ponta hat jetzt die demokratische Notbremse gegenüber Basescu gezogen. Vorbild der rumänischen Verfassung ist im Übrigen die französische Verfassung.

     

    Die aktuelle Kampagne von CDU/CSU ist verlogen. Man erinnere sich an die Falschmeldungen der Konservativen, die im Vorfeld der französischen Präsidentschaftswahlen gegenüber François Hollande verbreitet wurden.

     

    Die Regierung Victor Ponta ist eine sozial-liberale Regierung, die demokratisch handelt und das Amtsenthebungsverfahren ist demokratisch legitimiert. CDU/CSU fürchten lediglich um ihre Kontakte zu Basescu.

  • H
    hmm?

    ob der Niebel wohl demnächst in Rumänien auftaucht???