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Kommentar Regierungsverantwortung der SPDVerkannte Reformpolitik

Kommentar von Ralph Bollmann

10 Jahre regiert jetzt die SPD, drei davon in großer Koalition. Um aber im kommenden Wahlkampf gegen die Linkspartei zu bestehen, müssen die Sozialreformen schneller umgesetzt werden.

E s ist ein kalendarischer Zufall, aber er steckt voller Symbolik. Fast exakt zum zehnten Jahrestag des rot-grünen Wahlsiegs am 27. September 1998 bricht eine weltweite Finanzkrise aus, die eine ganze Epoche wirtschaftspolitischer Deregulierung an ihr Ende bringt. Wird damit der ganze Geist, dem die bundesdeutsche Reformpolitik seit dem Amtsantritt Gerhard Schröders folgte, als falsches Denken entlarvt? Wenn Oskar Lafontaine diesen Vorwurf formuliert, dann spricht er damit aus, was viele denken.

Bild: taz

Ralph Bollmann ist Ressortleiter im taz Parlamentsbüro.

So einfach ist es aber nicht. Die Krise des deutschen Sozialsystems in den drei Bereichen Rente, Arbeitsmarkt und Gesundheit hat mit der aktuellen Bankenkrise nichts zu tun. Es stimmt: Vom Schwung der verbreiteten Modernisierungs-, Liberalisierungs- und Amerikanisierungslogik haben sich weite Teile der politischen Eliten derart mitreißen lassen, dass sie auch Fehler machten. Die mangelhafte Aufsicht über Banken und Börsen ist davon nur eine Facette, auch die Privatisierung von Monopolbetrieben oder die fehlgeleitete rot-grüne Unternehmensteuerreform gehören dazu. Ganz zu schweigen von den radikalen Reformbeschlüssen des Leipziger CDU-Parteitags im Jahr 2003, an die sich die Partei heute nur ungern erinnern lässt - die aber zu ihrem eigenen Glück niemals umgesetzt wurden.

Die veränderte Altersstruktur der Gesellschaft, der schnellere Wandel von Berufsbildern oder die mangelnde Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungssystem sind aber keine ideologischen Behauptungen, sie sind Realität. Deshalb waren und sind die Veränderungen im Sozialsystem oder im Bildungswesen nicht die Folge eines fehlgeleiteten Wahns, sondern notwendige und sinnvolle Weichenstellung - auch wenn man über die Einzelheiten immer streiten kann.

Kurioserweise war es ausgerechnet die große Koalition, die nach der gemeinsamen Wahlniederlage von Union und SPD vor drei Jahren das Reformtempo drosselte. Die Differenzierung zwischen sinnvollen und sinnlosen Veränderungen konnten die beiden Volksparteien schon damals nicht vermitteln. Das müssen sie ändern, wenn sie im kommenden Wahlkampf gegen die Linkspartei bestehen wollen.

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1 Kommentar

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  • TS
    Thorsten Sauter

    Dass es in einem Land mit 80 Millionen Menschen immer Reformbedarf gibt, ist eine Binsenweisheit. Dass die Menschen älter werden und das Bildungssystem ungerecht ist, weiß inzwischen jedes Kind. Aber allen Ernstes zu behaupten, die "Veränderungen im Sozialsystem oder im Bildungswesen" seien "notwendig" und "sinnvoll" - solche Nullsätze erwarte ich eher in der "Welt" oder in einem Parteiorgan der FDP. Hartz IV ist also notwendig, die von Bertelsmann und Co. verordneten "Hochschulreformen" ebenso.

    Der letzte Absatz zeigt, dass Bollmann nicht versteht, was passiert. Dass "die beiden Volksparteien" das Reformtempo drosselten, lag daran, dass das Wahlvolk mehrheitlich nicht mehr mitzog. Das ist nicht kurios, sondern hat mit dem Willen zur Macht zu tun. Und wie kommt Bollmann darauf, dass ausgerechnet CDU und SPD zwischen sinnvollen und sinnlosen Veränderungen unterscheiden können, wenn sie diese Veränderungen doch über Jahre hinweg aktiv betrieben haben? Aus neoliberaler Sicht (Bollmanns Perspektive?) sind diese Veränderungen notwendig und sinnvoll gewesen, ganz einfach.

    Meinungsvielfalt bei der taz ist ja schön und gut, aber wenn ich dämliche Kommentare lesen will, greife ich zu anderen Zeitungen. Normalerweise.