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Kommentar Peer SteinbrückEine losgelassene Kanone

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Entweder fliegt der SPD im September noch ein brauchbares Thema zu, um einen ordentlichen Wahlkampf gegen Schwarz-Gelb zu inszenieren - oder der 27. September wird übel für sie enden.

Die SPD erinnert an ein Segelschiff in der Flaute. Entweder es kommt demnächst unverhofft frischer Wind auf, dann erreicht das Boot vielleicht doch noch den Hafen - oder eben nicht. Entweder fliegt der SPD im September noch ein brauchbares Thema zu, um einen ordentlichen Wahlkampf gegen Schwarz-Gelb zu inszenieren - oder der 27. September wird übel für sie enden. Im Grunde kann die Partei selbst nicht viel tun. Sie muss gut vorbereitet sein und die Gelegenheit, dass Merkel einen Fehler macht, ergreifen. Und bis dahin möglichst wenig Angriffsflächen bieten.

Das klappt für SPD-Verhältnisse bislang auch ganz gut. Nur einer, Peer Steinbrück, rumpelt wie eine losgerissene Kanone übers Deck. Erst erklärte er vollmundig, dass es mindestens in den nächsten zwei Jahren, wahrscheinlich aber noch länger keinerlei Steuererhöhungen geben darf. Im SPD-Wahlprogramm steht, dass eine Börsenumsatzsteuer hermuss und der Spitzensteuersatz für Gutverdiener vorsichtig erhöht wird. Für die Krise sollen, so die Botschaft, die Reichen zahlen - wenigstens ein bisschen. Dass die SPD ihr Wahlprogramm vergisst, ist nicht so ungewöhnlich. Dass sie dies, wie Steinbrück, schon vor der Wahl tut, allerdings schon. Das gleiche Spiel wiederholt sich nun bei der Rente. Die SPD will keine nominalen Rentenkürzungen - in der Krise ein durchaus richtiges Zeichen. Doch Steinbrück erklärt, dass die die Rentengarantie ungerecht sei, weil sie die Jüngeren belastet.

Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder Steinbrück sagt bloß öffentlich, was die SPD-Spitze insgeheim denkt -nämlich dass Reichensteuer und Rentengarantie am 28. September Schnee von vorgestern sind. Oder der überaus selbstbewusste Finanzminister macht Politik auf eigene Rechnung. Dann wäre allerdings eine deutliche Ansage von Kanzlerkandidat Steinmeier fällig. Überfällig sogar.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

6 Kommentare

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  • N
    Nordlicht

    Ende September wird die taz vermelden:

     

    Steinbrück geht durch die Drehtür zwischen Bundestag und Finanzdienstleistern.

  • A
    andreas

    Peer Steinbrück gehört für mich zu der Grupper am stärksten verkannter und überschätzter Politiker. Grund: Auszahlungen an debile Bankmanager in Millionenhöhe, keine wirkliche Macht über angeschlagene Banken und dazu noch eine Rethorik, die offenbar nicht auf unser Land gemüntzt, sondern komplett seiner Phantasie entsprungen ist.

    Ich frage mich, was er mit seinem Renten- und Steueramoklauf eigentlich bezwecken will?

    Meine Vermutung ist, dass Steinbrück ins bürgerliche Lager einbrechen will.

    Das wird ihm wohl auch gelingen, nur bricht dabei noch mehr an anderer Stelle weg und so bleibt die SPD angeschlagen.

    Merkel kann kaum einen Fehler machen, liebe taz, denn sie kann einfach darauf hoffen, dass der Wähler mit der SPD, den Linken und den Grünen beschäftigt genug ist. Die SPD kann sich nicht gegen die CDU/CSU absetzen. Das ist die einfache und drastische Feststellung.

    Nur Idioten haben geglaubt, dass die Person Steinmeier für den nötigen Kontrast sorgen würde. Gerade der SPD-Wähler ist stark verunsichert, was mit der Partei los ist, deswegen schaut er genauer hin. Und dann entdeckt er dort nicht viel. Die sozial-politische Ausrichtung der SPD ist immer noch nicht an der Basis verdaut. Das kann bei einer zyklischen, kapitalistischen Wirtschaftsentwicklung auch nicht anders sein. Und so entsteht Arbeitslosigkeit und Armut in diesem System, wenn die Krise kommt, im Aufschwung entstehen Jobs - ein großer Teil fällt auf schlecht-bezahlte oder gar durch ALG II aufzustockende Arbeit.

    Damit haben die Anhänger der SPD ein Problem und das verunsichert. Aber die Führung der SPD will davon nichts hören und sehen, die stellen sich auf Stur und verteilen lieber großes Geld für miserable Taten an Banker. Und Peer Steinbrück ist der Mann der SPD, der am stärksten auf einem ganz eigenen Schiff seinen eigenen Törn steuert.

    Für Steinbrück sind die negativen Wahlergbnisse einfach nicht existent. Er ist immer noch ganz oben und denkt, dass auch im November noch eine Limousine vor der Tür steht und er politische Entscheidungen trifft.

    Und da irrt er sich - er vielleicht stärker als die anderen. Denn ich glaube, dass auch Steinbrück im Herbst Geschichte sein wird. Seine Steuerpolitik war sowieso niemals sozial, sondern eindeutig FDP bzw. CDU/CSU angepasst. Vielleicht hätte er besser an die Menschen gedacht, die SPD wählen sollen.

    Die zahlen jetzt Steuern und müssen mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer in 2010 und 2011 rechnen, denn die Krise und die Verschenkaktionen des Finanzministers sind nicht gegenfinanziert. Und das bezahlen - wie immer - kinderreiche, normale Durchschnittsfamilien am härtesten, also genau dort wird gezahlt, wo die SPD in der Krise steckt.

  • BB
    Bodo Bender

    Wie verkündet der andere der Stones, Steinmeier, der sein weißes, wohlgescheiteltes Köpfchen hinhaltenb muss? Das Bundestagswahlergebnis werde viel besser ausfallen als das Ergebnis der Europawahl, bei der die Sozialdemokraten Anfang Juni mit knapp 21 Prozent der Stimmen ein historisches Tief verzeichnet hatten. M.a.W.: alles ab 22 Prozent ist schon ein toller Erfolg! Das sollte doch zu erreichen sein!

  • V
    vic

    Die Rentengarantie ist so viel wert wie Blüms "Die Rente ist sicher", und die Reichensteuer ist schlicht gelogen. Richtig wäre ohnehin die Vermögenssteuer Denn um Reichensteuer bezahlen zu müssen, muss man etwas dafür tun. Vermögenssteuer zahlt man, wenn andere das getan haben.

    Steinbrück ist ein Placebo, die SPD ist tot.

    Und sie wird im September ihr Waterloo erleben.

  • S
    schnipp-schnapp

    Wo ist die Überraschung?

     

    Das Spitzenpersonal der SPD ist doch schon seit Jahren damit befasst, die SPD zu entkernen und zur Implosion zu bringen.

    Siehe Schröder, Clement, Müntefering oder Steinbrück.

     

    Der letzte Sozialdemokrat an der Spitze der SPD war doch bekanntlich Oskar Lafontaine, den die SPD-Führung genau deswegen noch mehr hasst wie die Pest.

    Und damit ist sie sich doch mit der gesamten bürgerlichen Presse - inklusive der taz - einig, dass Demokratie Populismus und jede Abweichung vom Pfad der gescheiterten Marktwirtschaft ein Werk des Satans sei.

  • H
    hans

    ...ob mit oder ohne Peer Steinbrück - es endet übel für die Armutserzeugungspartei mit ihrer Agenda 2010.