piwik no script img

Kommentar Nachrichtenagentur dapdHeuschrecke im Größenwahn

Kommentar von Torsten Landsberg

Die Pleite der Nachrichtenagentur dapd bestätigt ein Ressentiment über Finanzinvestoren: Wenn sie die Lust verlieren, ziehen sie ihr Geld ab.

D er Begriff Zahlungsunfähigkeit als Begründung für die Insolvenz der Nachrichtenagentur dapd ist irreführend. Es ist die Zahlungsunwilligkeit der Eigentümer, die nun rund 300 Arbeitsplätze gefährdet.

Die Multimillionäre Martin Vorderwülbecke und Peter Löw könnten die Agentur durchaus weiter finanzieren – sie wollen aber nicht mehr. Sie sagen, es seien kurzfristig keine Gewinne zu erzielen.

Damit haben sie wohl recht, aber schuld daran sind sie ganz allein. Wie entfesselt haben sie seit der Fusion von ddp und deutscher AP vor zwei Jahren investiert, um den traditionsreichen Branchenprimus dpa niederzukonkurrieren. Das Geschäft mit seriösen Nachrichten wurde zum Spielzeug geltungsbedürftiger Manager, die ihre Ziele für gewöhnlich mit Geld statt Geduld erreichen.

Torsten Landsberg

ist Chef vom Dienst der taz Berlin und war davor Redakteur bei dapd.

Vorderwülbecke und Löw sind Finanzinvestoren, Heuschrecken – sie kaufen marode Unternehmen billig auf, sparen sie gesund und stoßen sie gewinnbringend ab. Irgendwann sehnten sie sich nach Glanz und schufen dapd aus ihrem Privatvermögen. Fortan schüttelten sie Hände von Bundespräsidenten und Ministern. Das Spiel gefiel ihnen.

Maßlosigkeit folgte: von Konkurrenten teuer abgeworbene Journalisten, Unternehmenszukäufe im In- und Ausland, ein längst undurchsichtiges Geflecht aus Tochterfirmen. Angesichts der Dumpingpreise von dapd war eine kurzfristige Refinanzierung ausgeschlossen. Wenn die Eigentümer nun so tun, als seien sie davon überrascht, ist das schlicht unverschämt.

Ihr Auftreten bestätigt ein Gefühl, das seit ihrem Einstieg nie verflog: die Befürchtung, sie könnten ihr Geld rausziehen, wenn sie die Lust verlieren. Der entgegneten die Eigentümer stets, sie setzten auf ein langfristiges Engagement und eine gesellschaftliche Verantwortung. Dapd war aber für sie nie etwas anderes als manch europäischer Fußballklub für arabische Investoren: Ist der Spaß vorbei, landet das Spielzeug wieder in der Ecke.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteur taz.Berlin
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • A
    Andreas

    Verantwortungslose Multimillionäre machen Nachrichten und Meinungen - hoffentlich öffnet das denjenigen die Augen, die Nachrichten einfach blind übernehmen oder "Objektivität" voraussetzen. Alles muss kritisch hinterfragt werden, ansonsten sind wir nur Schafe, die von den Reichen zur Schlachtbank geführt werden.

  • G
    Gregor

    Auf die Gefahr "KommentarTroll" genannt zu werden:

     

    "Angesichts der Dumpingpreise von dapd war eine kurzfristige Refinanzierung ausgeschlossen."

     

    Was Sie vermutlich meinen, ist die "Rentabilität der Investition", die durch die Dumpingpreise und den Einkauf teurer Journalisten erst am St. Nimmerleinstag möglich wäre und weshalb die Heuschrecke die Geduld verlor und weiter zieht.

     

    Aber was ist daran kritikwürdig? Dass die Journalisten zu teuer sind? Dass die Heuschrecken nicht noch mehr Geld versenken wollen? Dass sie fahrlässig/aus Spaß/wie ein Scheich eine Agentur gekauft haben?

  • EH
    elke hein

    Die dapd ist eingegangen - na und? Ist das schlecht? Ein Propagandaschuppen weniger!

     

    Ich empfehle mal zur Lektüre den folgenden aktuellen taz-Artikel, den die Zeitung von der dapd übernommen hat:

     

    https://taz.de/Krieg-in-Syrien/!102833/ ("Krieg in Syrien - Vier Autobomben in Aleppo")

     

    Die ganze Zeit wird hier ohne jeden weiteren Kommentar aus Quellen der "Freiheitskämpfer" zitiert, also aus dem Propaganda-Apparat genau derjenigen, die diese Terroranschläge durchgeführt haben!

     

    Und ganze zweimal wird der berüchtigte Londoner Gemüsehändler zitiert, die "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte", die jetzt schon so oft bekanntermaßen und nachweisbar bei Propagandalügen ertappt wurde, dass man es schon gar nicht mehr an den Fingern beider Hände abzählen kann.

     

    Aber nein, wir multiplizieren diese Quellen munter weiter. Und ganz zufällig passt das ja auch zu 100% auf die Linie der westlichen "Außenpolitik", die diesen Krieg provoziert und (ebenso nachweisbar) mit Geld, Waffen, Geheimdienstinfos und sogar mit aus Libyen eingeflogenen Söldnern eskaliert hat - und beständig weiter unterstützt.

     

    Aber von all dem weiß eine seriöse Nachrichtenagentur natürlich nichts. Und wenn die Propagandaabteilung dieser Bombenleger (sorry - natürlich "unserer" Bombenleger) dann verbreitet, bei ihren Anschlägen im Herzen einer Großstadt seien ... nun ja, fast keine Zivilisten, sondern nur böse Militärs ums Leben gekommen, dann wird das eben so übernommen und weitergegeben: als Infos von "Aktivisten" und "Menschenrechtlern" (statt "islamistischer Terroristen und ihrer Sympathisanten").

     

    Ha! Fertig mit der dapd, und gut so! Es gibt eben doch noch Gerechtigkeit in der Welt.

     

    Und darüber solltet auch Ihr von der taz mal nachdenken. Denn schließlich könnte man all das obige ja auch über Eure Berichterstattung sagen. Letzte Warnung - denkt mal scharf drüber nach!