Kommentar Materialismus: Gleich oder gleichgültig
Wie schnell und werbeüberlastet diese Weihnachtszeit geworden ist. Aber diese Klage macht das Spiel ja mit. Warum ist das so? Warum lassen wir den Kommerz entscheiden?
A lle Jahre wieder sagen und sehen wir, wie es nicht sein soll: Wie schnell, unpersönlich, materialistisch, egoistisch, werbeüberlastet doch diese Weihnachtszeit geworden ist. Aber diese Klage macht das Spiel ja mit. Warum ist das so? Warum lassen wir den Kommerz entscheiden, wer wir sein und was wir fühlen sollen?
Die Klage scheint zu sagen, dass wir uns etwas anderes wünschen - und dann kommt es im nächsten Jahr noch schlimmer. Der Konsum darf ungestraft behaupten, dass es bei Weihnachten um überfüllte Geschäfte, Stau, Geschenke, unendlichen Kitsch und schlechte Musik geht.
Und die Klage bestätigt, dass das so ist. Und wer das Geld für das alles nicht hat, bleibt draußen. Feiert nicht wirklich Weihnachten wie all die schönen Menschen auf den Plakaten und in den Spots.
Von seinem Ursprung her sagt uns das Fest, dass wir alle gleich sind. Und wenn der Mensch werdende Gott jemanden bevorzugt, dann die, die nichts haben. Souverän haben wir daraus die Schlacht des Materialismus werden lassen. Dieser Tag teilt uns in Vielhaber und Wenighaber wie kein anderer im Jahr.
BERND HAGENKORD schreibt für die taz.
Und wenn wir bis vor Kurzem noch davon gesprochen haben, dass das Wachstum nicht unendlich so weitergehen kann, dann zelebriert das Schneller-Höher-Weiter zum Weihnachtsfest schon wieder Auferstehung. Es wird halt unterm Baum entschieden.
Da gilt es wacker gegen anzufeiern. Wenn wir Menschlichkeit und gar die Menschwerdung Gottes feiern, dann darf das nicht im Klassenkampf in der Fußgängerzone enden. Weihnachten ist Hoffnungsfest: Hoffen wir also darauf, dass wir etwas entgegenzusetzen haben. Versuchen wir es. Alle Jahre wieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin