Kommentar „Mann in blau“: Harte Polizisten, milde Justiz
Das Landgericht Berlin hat die Strafen für prügelnde Polizisten auf der „Freiheit statt Angst“-Demo abgemildert. Das ist ein fatales Signal.
L ange ist es her, doch jeder sollte dieses Video sofort noch einmal im Internet ansehen: 2009, „Freiheit statt Angst“-Demo, Polizisten prügeln den „Mann in Blau“. Wer sich jene Bilder in Erinnerung ruft, versteht nicht, was das Landgericht Berlin am vergangenen Dienstag in der Angelegenheit geurteilt hat.
Es hat die vor einem Jahr verhängten Strafen gegen die beiden verantwortlichen Polizisten deutlich abgemildert. Das ist nicht nur schwer nachvollziehbar, sondern ein fatales Signal.
Denn eine öffentliche Verhandlung des Vorfalls war überhaupt erst durch den lang anhaltenden Druck der Öffentlichkeit zustande gekommen. Zig Menschen klickten das Video im Netz und forderten monatelang, die Beamten endlich zur Rechenschaft zu ziehen; so viele Medien wie selten berichteten und debattierten über Polizeigewalt. Dieser Druck spielte durchaus eine große Rolle bei der folgenden Einführung der Kennzeichnungspflicht für Polizisten.
Jetzt, da die Öffentlichkeit ihren Job erledigt und sich abgewendet hat, urteilt ein Gericht: War alles gar nicht so schlimm. Und das, obwohl sogar die Staatsanwaltschaft die Ursprungsstrafen für die Polizisten für zu milde hielt! Aus vorsätzlicher wird fahrlässige Körperverletzung. Aber wie soll sich der Laie denn bitte schön sonst eine „vorsätzliche“ Körperverletzung vorstellen als so, wie es das Video dokumentiert?
Vier Jahre sind seit der Tat vergangen. Doch die Wiederaufnahme der öffentlichen Debatte darüber ist heute nötiger denn je.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels