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Kommentar LokführerstreikFür die GDL geht es ums Ganze

Kommentar von Richard Rother

Die Lokführergewerkschaft muss streiken, aber es ist ein gewagtes Spiel. Die Kunden können sich auf einen langen Arbeitskampf gefasst machen.

Wenn nichts mehr geht, geht's für die Lokführer um viel. Bild: dpa

D ie Lokführer wollen ihre Streiks ausweiten. Das ist das Ergebnis der am Montag ausgezählten Urabstimmung, mit der die Gewerkschaft GDL die Streikbereitschaft ihrer Mitglieder testete. Das Ergebnis ist nicht überraschend; keine Gewerkschaft riskiert eine Urabstimmung, wenn sie sich der Kampfbereitschaft ihrer Mitglieder nicht sicher sein kann.

Dennoch geht es für die GDL, die einen Branchentarifvertrag für alle Lokführer anstrebt, ums Ganze: Verliert sie diesen Tarifkonflikt, dann dürfte sie in Zukunft marginalisiert werden. Diese Gefahr ist real, denn die Privatbahnen haben kurzerhand erklärt, keinen gemeinsamen Tarifvertrag mehr anzustreben. Damit bliebe der GDL nur noch, wie bisher mit der Deutschen Bahn AG einen Lokführertarifvertrag abzuschließen und bei den Bahnkonkurrenten Haustarifverträge durchzusetzen.

Das Ziel eines Branchentarifvertrages, der Dumpingkonkurrenz im Bahnsektor verhindern kann, wäre verfehlt. Die GDL würde hinter ihre Konkurrenzgewerkschaft, die im DGB organisierte Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), zurückfallen - die hat im Januar einen Flächentarifvertrag unterzeichnet. Um das zu verhindern, bleibt der GDL nur, die Bahnunternehmen - und damit indirekt auch deren Kunden - massiv zu bestreiken.

RICHARD ROTHER

ist Redakteur im Ressort Wirtschaft und Umwelt der taz.

Die Firmen muss ein Streik letztlich teurer zu stehen kommen, als sich auf einen Branchentarifvertrag mit der GDL einzulassen, die damit auf absehbare Zeit ein anerkannter Mitspieler im Tarifpoker der Branche wäre. Noch ist längst nicht ausgemacht, ob die GDL diese Kraft hat - dem imposanten Ergebnis der Urabstimmung zum Trotz. Jedenfalls konnte die GDL bei den Warnstreiks nicht bei allen Privatbahnen auftrumpfen.

Erschwerend kommt für die GDL hinzu, dass vielen Bahnkunden und -kundinnen nach dem Winterchaos das Verständnis für weitere Unannehmlichkeiten fehlt. Allerdings: Sie werden sich damit arrangieren müssen. Denn erstens ist das Streikrecht grundsätzlich ein hohes Gut, und zweitens wird in diesem konkreten Tarifkonflikt keine der beiden Seiten vorschnell aufgeben. Dafür geht es um zu viel.

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
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7 Kommentare

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  • M
    Malte

    Vorweg: Grundsätzlich habe ich ja großes Verständnis für die Forderungen der GDL.

    Allerdings zeigt sich die Gewerkschaft in der derzeitigen Streikpolitik im höchsten Maße unsolidarisch mit sicherlich teils prekär beschäftigten Pendlern, welche auf das Verkehrsmittel Bahn angewiesen sind und sich eine alternative Beförderung zum Arbeitsplatz kaum oder gar nicht leisten können - Menschen, welche eine Nobelkarosse ihr Eigen nennen, fahren in der Regel seltenst mit der Bahn.

     

    Ein weiterer zu kritisierender Punkt stellt meines Erachtens auch weiterhin das Konzept der Spartengewerkschaften dar: De facto können GDL, Cockpit und der Marburger Bund entscheidende Teile der öffentlichen Infrastruktur zur Durchsetzung ihrer Partikularinteressen lahmlegen, ohne dass weitere Berufsgruppen dieser Branchen (Krankenschwestern, Reinigungspersonal, Bahnarbeiter, Bodenpersonal etc.), welche auch häufig unter prekären Arbeitsbedingungen zu leiden haben davon profitieren. Beispielsweise kam es in der Folge der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Ärzteschaft zu einer in einigen Kliniken beispielslosen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen des Reinigungspersonals, da die Arbeitgeber, der kapitalistischen Logik des Gesundheitsmarktes folgend, entsprechende Gelder einsparen mussten.

     

    Folglich sind die Profiteure dieser Politik der Spartengewerkschaften trotz aller berechtigter Forderungen nur diese jetzt als elitär zu bezeichnenden Berufsgruppen - damit im höchsten Maße unsolidarisch.

  • VP
    V. Plaga

    J. Amazonas kann ich nur zustimmen. Wenn man auf die Bahn angewiesen ist, weil man kein Auto fährt, ist so ein Streik eine extreme Beeinträchtigung. Führt man sich dann vor Augen, dass es um ein paar Prozent mehr oder weniger Gehalt für einen kleinen Teil der Bahn-Beschäftigten geht, dann stehen Geldwert und Beeinträchtigung in einem höchst ungünstigen Verhältnis zueinander. Als Bahn-Anhänger (und -Abhängiger) ist meine Meinung deswegen: die Bahn-Privatisierung rückgängig machen, Bahn-Mitarbeiter wieder verbeamten und damit Ausfälle wegen Streiks grundsätzlich vermeiden.

  • C
    Carola

    Mir fehlt jegliches Verständnis für die GDL.

     

    Die Verhätnismäßigkeit ist überschritten. Mehr Lohn fordern, ja. Aber dies auf dem Rücken derer ausbaden, die kein Auto haben oder aus Umweltgründen auf eines verzichten, ist ja wohl das Letzte.

     

    Ich hoffe wirklich sehr, dass nach dieser Aktion viele Leute das Auto umsteigen und die Unternehmen sich neue Transportwege suchen. Wer braucht dann noch soviele Lokführer? Dann merken die endlich, dass ein Arbeitsplatz mehr wert ist, als der gleiche Lohn.

    Und streiken können sie dann gerne auch, 365 Tage, Zeit ist ja dann genug.

  • M
    Maximilian

    Ich verstehe die GDL nicht hundertprozentig, warum wird z.B. gefordert, dass Hauptschüler per se nicht geeignet seien Lokführer zu werden, hierfür nicht mehr zugelassen würden? Viele vergessen, es wird ja nicht nur ums Gehalt gestreikt. Wird hier denn eigentlich auch gefordert, dass bestehende Hauptschüler die Lokführer sind entlassen werden (?!) - wäre ja eigentlich eine logische Schlussfolgerung, wenn die GDL behauptet das Hauptschüler nicht geeignet sind Lokführer zu werden, irgendwoher muss diese Meinung ja stammen.

  • HD
    Horst Dahlem

    Im Interesse des sozialen Friedens in unserem Land hoffe ich sehr daß die GDL ihre Interessen durchsetzen kann.Die Initiative der GDL verdient hohen Respekt,vieleicht sind es ja die Lokführer die uns zeigen wie man sich gegen Dummpinglöhne wehrt und dem Rest der Gesellschaft die Augen öffnet.Es kann doch nicht sein das weite Teile der Gesellschaft in Armut versinkt(Harz IV)und selbst Menschen mit Vollzeitjob"aufstocken"müßen.D.h.die

    Allgemeinheit subventioniert Unternehmer die Hungerlöhne zahlen damit diese Menschen zu unwürdigen Bedingungen beschäftigen,während andere Teile unserer Gesellschaft sich hemmungslos die Taschen vollstopfen.Wir müßen endlich begreifen das wir uns nicht auf Politiker-egal welschen Coleurs-verlassen können,oder gar auf einen Mindestlohn warten können.Jeder Einzelne muß sich der Tarifautonomie bewust werden und von diesem Instrument Gebrauch machen(Unternehmer,Aktionäre,Vorständler ect.nutzen schließlich auch jede sich bietende Gelegenheit ihr Kapital zu mehren).Vor diesem Hintergrund ist nicht einzusehen warum sich ausgerechnet Arbeitnehmer immer in"Lohnzurückhaltung"üben müßen.

  • RK
    Robert Klütsch

    Sicher haben Sie recht Herr Amazonas, das die Lokführer über ein Auto verfügen. Aber haben sich auch schonmal die Spritpreise gesehen und die Lebensmittelpreise? Ganz zu schweigen auch die Preise für die KFZ-Versicherungen?

    Das alles muss bezahlt werden nur wovon wenn Lokführer unverschuldet Dienstunfähig werden durch Suizid oder je nach Arbeitgeber weniger veridenen als andere Kollegen bei den Konkurenten und bei jeder Ausschreibung Angst um ihren Arbeitsplatz haben müssen. Es kann deshalh mir keiner erzählen das der EVG-Branchentarifvertrag die Lösung ist die man gerne nach aussen hin darstellt, wenn schon bezeichnender Weise EVG-Betriebsräte hinter vorgehaltener Hand sagen: "Das ist ein schlechter Vertrag!" Dieser Tarifvertrag hat eine Lohnabsenkung von 6,5% zur Folge und die Deutsche Bahn darf weiterhin, nun legitim, das Fahrpersonal (und NUR das Fahrpersonal bestehend aus Lokführer und Zugbegleiter, also jener Klientel die der GDL mehrheitlich angehören) durch Neugründungen von Tochtergesellschaften ausgliedern und schlechter bezahlen als bisher, ganz zu schwiegen von den schlechteren Arbeitsbedingungen die an Sklaverei grenzen. Und deshalb erfüllt der EVG-Branchentarifvertrag nicht den grundsatz denn gerade die DGB-Gewerkschaften verbreiten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Und die EVG ist bereits gewarnt. Erst vor einer Woche hat das Bundesarbeitsgericht in Leipzig einen Branchentarifvertrag der Chricstlichen Gewerkschaften für Null und Nichtig erklärt, weil dieser Lohnunterschiede zulies die dem Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit nicht erfüllte. Sollte deshalb der EVG-Branchentarifvertrag vor dem BAG landen kann man sich sicher sein das auch dieser Vertrag gekippt wird.

    Zudem vermisse ich das Geschrei der Medien zu den Streiks im Öffentlichen Dienst an Schulen und Landesbetrieben die auch nicht gerade ohne sind und Berufstätige Eltern vor dem Problem stellen: Wohin mit den Kindern während ich arbeiten muss?

    Es grenzt an Heuchlerei wenn Wirtschaft und Politik bei Lokführerstreiks immer wieder betonen wie wichtig doch das System Eisenbahn sei, aber zwischen den Tarifverhandlungen (ja, nach der Tarifverhandlung ist vor der Tarifverhandlung) das System Eisenbahn kaputt gespart und gegängelt wird wo es nur geht!

    Da werden Fernbuslinien zugelassen ohne das es noch Regeln dafür gibt, da werden Tests mit Gigalinern gemacht weil man sich davon mehr Beförderungsleistung verspricht, die Infrastruktur aber dafür nicht vorhanden ist und nach jeder Bundestagswahl steht die Kürzung der Regionalisierungsmittel als erster Punkt auf der Tagesordnung. Nun verlangt zu alle dem auch der Bund, weil er sparen will, auch noch eine Dividende von der Bahn, welche er all die Jahre zuvor nie eingefordert hat und sich sonst auch nie groß um die Mißstände bei der Bahn gekümmert hat. Denn ausser Versprechungen nach dem Winterchaos ist bis jetzt noch keine ausgebaute Weichenheizung wieder eingebaut worden und deren Heizleistungen erhöht worden.

  • JA
    J. Amazonas

    Alle, die sich da streiten, besitzen aber selbstredend ein privates Automobil, auch die Lokführer. Sie verstehen gar nicht, was so ein Streik für diejenigen bedeutet, die keines haben oder bewusst auf eines verzichten, - so wie ich. Die (in letzter Zeit allesamt privatisierten) Regionalbahnen sind neben dem Fahrrad mein einziges, tägliches Fortbewegungsmittel, und das im ländlichen Raum! Soll ich jetzt die knapp 100 km auf Monate hinaus mit dem Taxi fahren? Carsharing ist hier auch Fehlanzeige. So wird das jedenfalls nichts mit der Attraktivitätssteigerung des ÖPNV und dem ökologischen Umbau des Verkehrssystems!