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Kommentar LinksparteiEin Opfer ohne Sinn

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die hessische Linkspartei steckt in der Krise. Bei der Landtagswahl droht ein schlechtes Ergebnis und damit auch der Bundespartei ein mieser Start ins Superwahljahr 2009.

W er sich derzeit die hessische Linkspartei anschaut, kann zwei der üblichen Vorurteile revidieren. Erstens scheint die Wirtschaftskrise der Linkspartei keineswegs zu nutzen. Denn der fulminante Aufstieg von Lafontaine & Co verlief nicht zufällig parallel zum ökonomischen Aufschwung: Viele hatten das Gefühl, nichts vom Kuchen abzubekommen - und dies war der Treibstoff für die Wahlerfolge der Linkspartei. In der Krise neigen viele nun offenbar dazu, auf Sicherheit und Bekanntes zu setzen. Zweitens profitiert die Linkspartei in Hessen keineswegs von der Schwäche der SPD. Die Rechnung, dass die Linkspartei gewinnt, was die SPD verliert, stimmt momentan schlicht nicht.

Bild: taz

Stefan Reinecke, 49, lebt in Berlin-Kreuzberg, war früher Redakteur der taz-Meinungsseite und ist seit fünf Jahren Autor der taz. Er beschäftigt sich vor allem mit Innenpolitik, Parteien und Geschichtspolitik.

In dieser Situation mag es für die Linkspartei naheliegend sein, auf rhetorische Radikalisierung zu setzen, schon um wieder unterscheidbar zu sein. Das ist verführerisch - aber es ist falsch. Denn wer sich die Linkspartei-Klientel in Hessen anschaut, sieht, dass sie eine linke Reformpolitik will und keine radikalen Sprüche. Die treuesten Befürworter hatte die gescheiterte rot-grüne Minderheitsregierung jedenfalls bei den Wählern der Linkspartei.

Genau dies scheint ein Kern der derzeitigen Krise bei der hessischen Linken zu sein. Sie hat in ein paar Monaten einen Crashkurs in Realpolitik absolviert. Sie hat die Tolerierung für Rot-Grün durchgewinkt, Kompromissbereitschaft und Sinn für das Mögliche entwickelt. Für manche Genossen ging das zu schnell - einen plausiblen Gegenentwurf zur Tolerierung hatten sie aber auch nicht. Doch nun haben einige das Gefühl, ein Opfer ohne Sinn gebracht zu haben. Die Linkspartei hat sich angepasst, ohne die Prämie einstreichen zu können. Bedrohlich für die hessische Linkspartei ist dabei nicht, dass ihr ein paar Genossen den Rücken kehren. Gefährlich ist, dass sie in den Sog des Desasters der Ypsilanti-SPD gerät.

Bis jetzt verfügte die Linkspartei im Westen über eine eindeutige Erzählung: Es geht voran. Wenn sie in Hessen verliert, ist diese Erzählung Geschichte - und einen mieseren Start ins Wahljahr 2009 kann sie gar nicht erwischen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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2 Kommentare

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  • A
    Amos

    Es liegt daran, dass immer noch zu viele glauben, die Gier würde die Welt retten. Vernunft rettet die Welt. Was Unvernunft anrichtet sieht man ja an der Bankenkrise. Und wo Unvernunft geschmiert wird sieht man an den Politikern. Die sind Handlungsunfähig weil Politik und Kapital eine Seilschaft bilden. Früher noch , vor KOHL, hatten wir noch eine annehmbare Demokratie. Das Kapital war noch 'anständig' und Politik noch einigermaßen loyal gegenüber dem Volk. Die Agonie der 'kaptitalistischen Kolonisation' wird sich noch einige Zeit fortsetzen, dann werden 'Alle' arm sein und auch die Unverbesserlichen werden dann auch nach links rücken.

    ''Selten habt ihr mich verstanden

    Selten auch verstand ich euch

    Erst als wir im Kot uns fanden

    Da verstanden wir uns gleich.

     

    Heine

  • GP
    Gerhard Pauli

    Die SPD endgültig auf 25 Prozent eingebrochen, aber trotzdem krebst die Linke weiter bei 5 Prozent herum. Wie ist das möglich?

    Mir scheint, die Erklärung ist einfacher als die klugen Erklärungen, die man so liest. Die Linke positioniert sich heute als die Partei, die ihren eigenen Erfolg wieder rückgängig machen will - und das kann nicht gut gehn.

    Erinnern wir uns an 2005. Hätte Rot-Grün noch einmal eine Mehrheit gewonnen, wäre das ein Freibrief zur ungebremsten Fortsetzung der Schröder-Politik gewesen. Hätten Westerwelle, Merkel und ihr Scharlatan Kirchhof die Wahl gewonnen, hätten sie gar nicht anders gekonnt, als ihre Drohungen aus dem Wahlkampf zu verwirklichen. Dass stattdessen Union und SPD jetzt in einer Koalition zusammenhocken, in der sich beide gegenseitig beweisen müssen, dass sie so unsozial ja gar nicht sind; dass Angela Merkel schon als die sozialdemokratischste Regierungschefin seit Willy Brandt in die Geschichte eingegangen ist: das verdanken wir der Existenz einer Linksfraktion, die gerade so stark ist, dass weder FDP/CDU noch Rot-Grün eine Mehrheit hat. Und wenn es die Linke nicht schafft, die Wähler zu gewinnen, die der SPD weglaufen, ist es damit vorbei.

    Die Linke aber präsentiert sich heute als die Partei, die der SPD wieder zu ihren Pöstchen verhelfen wird. Dahinter steckt der Mythos von der SPD als einer Irgendwie-immernoch-Arbeiterpartei, die man gegen die finsteren Mächte des Monopolkapitals unterstützen müsse. Dass die Linke wenigstens in der Lage wäre, der SPD fundiert Bedingungen zu stellen und die Einhaltung dieser Bedingungen dann auch durchzusetzen, wird ihr nicht zugetraut; ich trau es ihr auch nicht zu. Wer aber die Rückkehr zum Schröderismus will, wählt natürlich nicht die Linke, sondern gleich Rot-Grün.

    Umgekehrt vermute ich, dass die Wähler, die nach 2005 zur Union gewechselt sind, eben nicht Merz und Kirchhof aus der Mottenkiste holen wollen, sondern die heutige Politik von Angela Merkel honorieren. Paradoxerweise bereiten sie gerade dadurch dieser Politik ein Ende.

    Wer Merkel will (oder wer lieber Merkel will als Schröder oder Westerwelle) muss die Linke wählen. Aber wie will sie das rüberbringen?