Kommentar Libyen nach Gaddafi: Ende einer Ära

Die Ära Gaddafi ist unwiderruflich beendet, doch es ist ungewiss, wie es mit Libyen weitergeht. Dem Westen, der sich gern als "Befreier" feiern lässt, scheint das egal zu sein.

Noch ist vieles im Zusammenhang mit dem Schicksal von Muammar al-Gaddafi ungeklärt. Fest steht jetzt immerhin: Seine Ära ist unwiderruflich beendet. Aber die Zukunft Libyens bleibt ungewiss. Werden sich dort die Demokraten durchsetzen oder diejenigen, die vor allem die eigenen Partikularinteressen im Blick haben? Abwarten.

Vieles spricht dafür, dass den Nato-Staaten, die den Machtwechsel herbeigeführt haben, diese Frage nicht besonders wichtig ist. Sie haben, solange es ihnen jeweils opportun erschien, sowohl Gaddafi als auch den irakischen Präsidenten Saddam Hussein als Verbündete akzeptiert und aufgerüstet. Sobald es ihnen nicht mehr opportun erschien, verwiesen sie auf die - unbestreitbar - katastrophale Menschenrechtsbilanz der beiden Staatschefs. Und verließen sich im Übrigen auf das schlechte Gedächtnis der Öffentlichkeit. Darauf können sie ja vertrauen: Diese Öffentlichkeit trägt jeden Kurswechsel mit, und sei es nur deshalb, weil sie sich für die Lage in fernen Ländern nicht ernsthaft interessiert.

Im Augenblick gelten bekanntlich auch alle, die Menschenrechtsverletzungen in China für ein Problem im Zusammenhang mit engen Wirtschaftsbeziehungen halten, als unbelehrbare Gutmenschen. Man darf davon ausgehen, dass sich die Stimmung in dem Augenblick drehen wird, in dem es nützlicher ist, auf Menschenrechtsverletzungen zu setzen als auf Wirtschaftskraft. Sehr bequem für jeweils Regierende.

Libyen ist "befreit" worden, weil der Westen unbeirrt weltweit auf der Einhaltung der Menschenrechte beharrt? Was für ein Quatsch. Nachweislich.

So interessierte er sich für die Hindernisse auf dem Weg zur Demokratisierung Ägyptens erst, als vor allem Christen betroffen zu sein schienen. Zuvor war es vielen Politikern schlicht egal, dass dort nach wie vor der Ausnahmezustand gilt, Zivilisten vor Militärgerichte gestellt werden und überhaupt das Militär weiterhin das Sagen hat. Vor dem sogenannten Arabischen Frühling hatten viele von ihnen ja ohnehin erklärt, die Araber seien wegen ihrer Kultur und Mentalität noch nicht reif für die Demokratie.

Es wird nicht lange dauern, bis westliche Politiker mit nachdenklichen Mienen dasselbe im Hinblick auf Libyen verkünden - sollte es ihnen in den Kram passen. Demokraten sind nicht gut beraten, wenn sie auf die Solidarität des Westens bauen. Das gilt weltweit.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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