Kommentar Lafontaines Coup: Links wird frei
Mit Lafontaines Rücktritt wird die Linke pluraler, weiblicher, offener und vielleicht unberechenbarer werden. Und es öffnen sich ihr echte Perspektiven.
E s ist ein Rückzug, der Freunde und Gegner verblüfft. Oskar Lafontaine will nicht mehr Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag sein. Er verschwindet aber nicht von der Bühne, sondern wird im Mai zum Parteichef gewählt - wohl zusammen mit einer Ostfrau. Es ist ein typischer Lafontaine-Abgang: laut und überraschend, inszeniert wie ein Coup.
Lafontaine hat die Linkspartei so dominiert wie vor ihm nur Joschka Fischer in den 1990er-Jahren die Grünen. Ohne Lafontaine gäbe es die Linkspartei in dieser Form wohl kaum. Diese Zeit ist vorbei. Denn es geht, trotz aller Dementis, um einen Rücktritt auf Raten. Die innere Machtarchitektur der Linkspartei ist seit gestern eine andere. Die Partei wird pluraler werden, weiblicher, offener, unübersichtlicher, vielleicht unberechenbarer.
Im Grunde ist dies ein rationaler, ein kluger Schritt - für Lafontaine und für die Partei. Das Los von Franz Müntefering zeigt, wie es gestandenen Politikern ergehen kann, die ihren Abgang verpassen. Und die Linkspartei braucht keinen alles überstrahlenden Frontmann mehr. Lafontaine hat in der Vereinigungsphase von West und Ost autoritär den Laden zusammengehalten. Man kann zweifeln, ob dieser Stil nötig war - jedenfalls war er effektiv. Heute steht die Linkspartei im Westen einigermaßen auf eigenen Füßen. Ob sie auch laufen kann, wird sich zeigen.
Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.
Rational kann dieser Schritt auch für das Saarland wirken. Wenn die Grünen dort gescheit sind, freunden sie sich mit dem Gedanken an, dass Lafontaine Fraktionschef im Landtag wird. Die graue Eminenz wäre er sowieso gewesen. Gerade wenn Rot-Rot-Grün an der Saar klappt, eröffnen sich der Linkspartei echte Perspektiven. Lafontaine, der Verbalradikale, wäre in einer Landesregierung eingebunden. Und die Partei auf dem Weg in die Selbstständigkeit.
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