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Kommentar Kurdenpolitik der TürkeiDie nächste Repressionsrunde kommt

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Einst war die Regierung Erdogan angetreten die Kurdenfrage demokratisch zu lösen. Von diesem Vorhaben ist nicht mehr viel übrig geblieben.

I n der Türkei geht der Dauerbrenner "Kurdenproblem" in die nächste Runde. Nachdem die PKK am letzten Wochenende wieder blutig zugeschlagen hat, verlängert das Parlament nun die ursprünglich auf ein Jahr befristete Ermächtigung für die Armee, die Grenze zum Nordirak notfalls auch mit Bodentruppen zu überschreiten.

Bild: taz

Jürgen Gottschlich arbeitet als Türkei-Korrespondent der taz in Istanbul.

Lediglich die prokurdische DTP mit ihren 21 Abgeordneten ist dagegen, gilt jedoch nicht mehr als ernst zu nehmende Größe. Voraussichtlich im November wird das türkische Verfassungsgericht über ein Verbot der Partei entscheiden. Im Unterschied zum Verbotsantrag gegen die regierende AKP, der im Juli vom Gericht abgelehnt wurde, macht sich kaum jemand dafür stark, die Legalität der DTP unangetastet zu lassen. Die DTP, heißt es, distanziere sich nicht eindeutig vom "Terror" der PKK - in der derzeit aufgeheizten Stimmung reicht dieser Vorwurf völlig aus, um die DTP aus dem Kreis der Demokraten auszuschließen.

Dass ein solcher Schritt wahrscheinlich auch die Stimmung unter den Kurden weiter radikalisiert und damit unmittelbar der PKK nutzt, wird billigend in Kauf genommen. Nachdem in den vergangenen Monaten um einen großen Entwicklungsplan für die kurdisch besiedelten Gebiete viel heiße Luft bewegt worden war, ist jetzt wieder Repression angesagt. Diskutiert werden die Wiedereinführung des Kriegsrechts in den Grenzprovinzen zum Nordirak, ein neuer militärischer Vorstoß gegen die PKK-Basen im Nachbarland sowie mehr Druck auf die irakisch-kurdische Regionalregierung unter Barsani. Die gleichen Maßnahmen also wie schon bei der letzten Eskalation.

Schon jetzt ist absehbar, dass eine Politik, die seit nun 25 Jahren in diesem Reiz-Reaktions-Schema verharrt, niemals zu einer Lösung des "Kurdenproblems" führen kann. Stattdessen wachsen Hass und Nationalismus auf beiden Seiten, und die ethnisch motivierten Zwischenfälle häufen sich.

Die Regierung Erdogan, die einmal angetreten war, die Kurdenfrage demokratisch zu lösen, ist damit auf dem Niveau ihrer Vorgänger angekommen.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei

4 Kommentare

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  • W
    wahrheit

    also ich finde man sollte hier mal die wahrheit reinschreiben und nicht nur immer der pkk alles in die schuhe schieben..seit wann gibt es die pkk? Seit ca. 30 jahren..wer war denn davor daran schuld, dass die kurden unter der türkischen regierung leiden?? und die leiden wirklich...das gebiet, wo die kurden leben ist ein sehr reiches gebiet, was rohstoffe und änliches betrifft, aber die menschen finden da nicht mal ein stück brot zum essen, wie kommt das??

    Die Türkei hetzt die Vöker regelrecht gegeneinander auf, die kurden werden in den türkischen gebieten und städten angegriffen obwohl sie höchstwahrscheinlich nichts mit der pkk zu tun haben..und jetzt wollen sie wieder in den irak einmaschieren, um da angeblich den terror ein ende zu bringen..nu frag ich, was ist mit den kurden die in der türkei leben? sind das auch alles terroristen? glaub ich kaum..die türkei wird nie sein problem in den griff bekommen, solange es so handelt..es wird nie ein freidliches land und irghendwie werden immer dritte mitmischen..

  • R
    Robert

    Das "Kurden"-Problem existiert nicht erst seit 80, sondern seit mindestens 180 Jahren, nämlich seitdem die osmanische Zentralregierung in den 1840er Jahren die Regionalherrschaften der kurdischen Asirets zerschlug. Verschärft wurde das Problem natürlich mit der Schaffung des türkischen Nationalstaates, wobei den Kurden nach ihrer Beteiligung und Bereicherung an den Armeniermorden plötzlich aufging, dass die Turkifizierung Anatoliens auch sie treffen sollte. Nachdem die kurdischen Einflussgebiete von Christen (Armenier und Nestorianer)"gesäubert" waren, standen die kurdischen Clanführer plötzlich auf der Verliererseite. Nicht wenige von ihnen paktierten mit den Kemalisten, später mit den jeweiligen türkischen Regierungen, um ihre Konkurrenten zu schädigen. Was kann man daraus schließen?

     

    1. Es gibt keinen monolithischen kurdischen Block, der gemeinsame Interessen verficht. Es gibt stattdessen eine Vielzahl kurdischer Vertreter, von denen viele ihren Frieden mit der Türkei gemacht haben und in der türkischen Gesellschaft angekommen sind. Ibrahim Tatlises, Turgut Özal, zahlreiche AKP-Abgeordnete usw. zeigen dies überdeutlich.

    2. Es gibt eine radikale, verblendete Minderheit, organisiert in einer stalinistischen Terrororganisation, die ihrer eigenen ethnischen Gruppe schadet und für viel Leid in der Türkei sorgt: die PKK.

    3. Ist das eigentliche Problem die soziale, infrastrukturelle und bildungsbezogene Unterentwicklung in den kurdischen Gebieten. Verantwortlich dafür sind an erster Stelle die Clanführer, die die Bemühungen des Staates, im Osten Infrastruktur zu errichten, sabotieren, da eine Verbesserung der Lage ihre Macht gefährden würde. Ein Frieden in der Türkei ist nur möglich, wenn die feudalen Strukturen, die u.a. für die übergroße Mehrheit der Ehrenmorde und Blutrache-Fälle in der Türkei und Deutschland verantwortlich ist, endlich von den Kurden überwunden werden. Ohne Selbstkritik auf kurdischer Seite kann es insgesamt keine wirklichen Freiheiten für die kurdische Kultur geben.

  • A
    Aksoy

    Es geht schon laengst nicht mehr um die Freiheit des kurdischen Volkes, sondern allein und einzig um Gründung eines kurdischen Staates nach dem Vorbild Israels, damit die staendige Unruhe in der Region die Existenz der USA legitimiert. Kurdische Anführer sollen sich fragen, ob eine Ubanhaengigkeit auf dem Schoss einer imperialistischen Macht gut gehen kann. Die Geschichte kennt dafür nur eine Antwort: Nein.

  • A
    aufklärer

    wirklich ein sehr guter beitrag..

    unsere aufgabe wäre es, wie man es hin bekommen könnte, den konflikt weiter nicht weiter verschärfen zu lassen; natürlich sollte uns bewusst sein, dass letztendlich die wichtigen schritte nur in der türkei selbst erfolgen können; aber andererseits sollte auch die westliche gemeinschaft - insbesondere die eu und hier wieder insbesondere deutschland - ihren beitrag dazu leisten..von deutschland kam bisher leider nur wenig; und wenn etwas kam, dann wirkte das eher eskalierent (z.b. roj-tv-verbot)...

    wir können nur hoffen und jeder seinen beitrag dazu leisten, diesen nunmehr seit über 80 (!!!) jahren andauernden türkei-kurden-konflikt zu lösen; eine lösung ohne dialog zwischen der türkischen und -immer mehr wachsender- kurdischen gemeinschaft auf gleicher augenhöhe wird es nicht geben können; dies sollte erstmal von allen beteiligten akzeptiert werden - ein erster schritt zum frieden!!

    mit freundlichen grüßen

    aufklärer