Kommentar Krawalle in Großbritannien: Mit Härte in den Klassenkampf

Der britische Premier schließt nicht aus, auch die Armee im Landesinneren einzusetzen. Für Cameron ist die Kultur der Unterschicht Schuld.

Die Krawalle hätten nichts mit politischem Protest zu tun, so der britische Premier David Cameron in der Parlamentsdebatte. Wie für Margaret Thatcher gibt es für ihn keine Gesellschaft, sondern nur Individuen, die sich kriminell verhalten. Dafür sollen sie nun zur Rechenschaft gezogen werden. Die Gegenwehr, so Cameron, habe nun begonnen.

Weil für ihn die Ausschreitungen nicht mit den komplexen Wechselwirkungen von Konsumgesellschaft, sozialer Ausgrenzung, Demütigung oder ethnischer Diskriminierung zusammenhängen, ist seine Antwort klar: Härte, und wenn es sein muss, noch mehr Härte. Die Polizei soll mehr Rechte bekommen und ihre Arbeit effektiver gestaltet werden.

Da Cameron in seinem gigantischen Sparprogramm auch bei der Polizei kürzen will, steht der Premierminister in der eigenen Partei zunehmend unter Druck, zahlreiche seiner eigenen Leute forderten mehr Polizeipräsenz auf den Straßen. Doch bislang weicht der Premier nicht vom Kurs ab. Stattdessen schließt er nicht aus, auch die Armee im Landesinneren einzusetzen. Cameron hat die Erosion des rechtsstaatlichen Prinzips der Trennung von Militär und innerer Ordnung jetzt erweitert - im Namen des Rechtsstaats.

Verantwortlich für die Krawalle ist für Cameron die Mischung aus Respektlosigkeit, Gewaltverherrlichung in Straßengangs und moralischer Verwahrlosung, kurz: die Kultur der Unterschicht. Er hat, wie mehr als zwei Drittel seines Kabinetts, eine erstklassige Ausbildung an den privaten Eliteschulen und Eliteuniversitäten des Landes genossen. Die geschlossene Gesellschaft der britischen Elite sagt nun der Unterschicht den Kulturkampf an. Dieser gärt schon lange, hatte die Regierung doch schon häufiger ihre bildungsaristokratische Verachtung für die Vorliebe von Flachbildschirmen und Trash-Kultur in der britischen Unterklasse zum Ausdruck gebracht.

Ob sie selbst zur Verrohung der Verhältnisse beigetragen hat, die Frage nach der eigenen Verantwortung stellt man sich in bestem Oxford-Englisch nicht. Der Labour-Vorsitzende Ed Miliband, ebenfalls Absolvent einer Eliteuniversität, betrieb auch gleich den Schulterschluss mit Cameron. Es war eine Demonstration der Härte der britischen Elite, die man in der Parlamentsdebatte verfolgen konnte, aber es war vor allem eine weitere Demonstration der Spaltung der britischen Gesellschaft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.