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Kommentar Krankheitskosten AlteGefährliches Bild vom fitten Senioren

Kommentar von Harry Kunz

Altersdiskriminierung im Gesundheitswesen wird sich künftig vermehrt gegen Sieche und Altersschwache wenden. Auch weil rüstige Alte in Todkranken Aspekte der eigenen Existenz sehen.

Altern und Sterben werden zu teuer: Der Anstieg der Krankheitskosten der letzten Jahren ging nahezu vollständig an die über 65-Jährigen. Sie benötigen schon heute fast die Hälfte der gesamten Krankheitsaufwendungen. Nun ist Alter keine Krankheit. Aber die in früheren Lebensabschnitten erworbenen Krankheiten addieren sich zu den typischen Altersleiden, die das Lebensende prägen.

Durch medizinischen Fortschritt und ein verändertes Gesundheitsverhalten kann man dem zwar entgegenwirken. In den unteren Sozialschichten bieten sich den heute Jüngeren jedoch Lebensbedingungen, die wesentliche Risikofaktoren für ein Siechtum am Lebensende bieten. Mehr Gesundheitsförderung wird die gesundheitlichen Ungleichheiten am Lebensende eher noch zuspitzen, weil sich jene privilegierten Bevölkerungsgruppen besonders gesundheitsbewusst verhalten (können), die aufgrund ihrer Lebensumstände ein unterdurchschnittliches Krankheitsrisiko besitzen. Zukunftsprognosen gehen deshalb von einem sozialen Auseinanderklaffen von Lebenserwartung und Alterssiechtum aus. Diese soziale Ungleichverteilung steht gegen die Hoffnung, dass in einer alternden Gesellschaft die Krankheitskosten des Alters solidarisch getragen werden. Hinzu kommt, dass gegenwärtig das Altern kulturell neu erfunden wird: fit, leistungsfähig und unternehmungsfreudig sollen Alte sein. Rückzug und Verfall werden im Zusammenhang mit dem Altern zu Unwörtern. Nichts soll an die Schattenseiten einer vergreisten Gesellschaft und an die eigene Vergänglichkeit erinnern.

Zwar gibt es mit Hospizen und ambulanten Diensten Alternativen zum oft würdelosen Sterben in Krankenhaus oder Pflegeheim. Doch spricht dies nur eine Minderheit an. So wird die Altersdiskriminierung im Gesundheitswesen sich wohl vermehrt gegen Sieche und Altersschwache wenden. Die soziale Basis für Forderungen nach Behandlungsbegrenzung und aktiver Sterbehilfe wird just bei den aktiven "neuen Alten" zu finden sein, die durch Todkranke an die verdrängten Aspekte der eigenen Existenz erinnert werden.

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3 Kommentare

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  • R
    Rehse

    Stimmt, in Seniorenforen kann man es gut beobachten, dass die wohlhabenderen Alten nicht nur den Arbeitslosen ihr "Nichtstun" vorwerfen sondern auchn den armen Rentnern "vorrechnen", zu wenig für ihre Altersvorsorge getan zu haben. Die Politik ist da gefordert, aber wenn die SPD nicht für mehr Gerechtigkeit sorgen kann, dann passiert hier nichts. Leider sieht es ganz danach aus.

  • B
    Bea

    Der Artikel enthält eine wahrhaft realistische Einschätzung der Lage der alternden Gesellschaft. Ich kenne viele Eiferer, Junge und Alte, die sich leidenschaftlich für aktive Sterbehilfe einsetzen, die gerne über Leben und Tod entscheiden würden, so es die Gesetzeslage erlauben würde. Man muss alles dafür tun, dass die Gesetze dahingehend nicht geändert werden, das Wort "Euthanasie" hinterlässt einen schlechten Geschmack in Deutschland.

  • KG
    Klaus Grundmeier

    Wir alle verdrängen gerne unser Verfalldatum. Dabei geht es nicht nur um die Frage von Siechtum und Alter, sondern auch um die Frage von Endlich-/Unendlichkeit.

    Schauen Sie doch mal genau in Ihren Alltag bzw. noch besser hören Sie mal rein. Ältere Menschen erinnern uns - an uns selbst, auch ohne Siechtum und Krankheit. Der "Jugendwahn" ist keine Erfindung unserer Zeit, er ist nicht "modern". Eben weil die Frage unserer Endlichkeit als Menschen und allem Sichtbaren, uns dann manchmal besonders drastisch "vor Augen" geführt wird. Unsere Körper leiden, unsere Seelen und Herzen noch mehr. Und steckt nicht die Sehnsucht nach einem ewigen Leben in einem jeden von uns?

    Über existenzielle Fragen: Woher kommen wir, wohin gehen wir, finden gar keine breiten Aussprachen mehr statt. Da hängen wir lieber einem diffusen Glauben an, der so als Frage gestellt, uns keine Antwort gibt.

    Wir haben eine Würde: Im Schmerz, im Alter, im Tod. Wir haben hier im Leben die Möglichkeit eines neuen Lebens im alten. Das wird heute zu wenig gesagt, da verlassen wir uns lieber auf die "Fachleute". Und was bringen diese uns:

    Über das Ergebnis brauchen wir ja nur die geschilderte berichtete Realität anzusehen.

    Abschließend kann ich nur sagen: Wie eine Gesellschft mit den "Alten" umgeht, so wird sie das auch mit den Jüngeren tun.