Kommentar Kölner U-Bahn: Alle machen mit, keiner ists gewesen

Der Sumpf beim Kölner U-Bahn-Bau wird immer tiefer. Doch wer denkt, es handelt sich hier um ein rein lokales Problem, der irrt. In Köln ist es nur öffentlich geworden.

Der Bau der Kölner Nord-Süd-Bahn hat sich zu einem Großskandal entwickelt. Immer neue Hiobsbotschaften über nicht eingehaltene städtische Auflagen beim Brunnenbau, manipulierte Protokolle oder geklaute Eisenbügel verunsichern die Menschen in der Domstadt zutiefst. Auch rund ein Jahr nach dem schrecklichen Unglück am Waidmarkt gibt es keine Gewissheit, wie es zum Einsturz des Historischen Stadtarchivs kommen konnte. Nun muss auch noch die Baugrube am Heumarkt geflutet werden.

Kein Wunder, dass das bei den betroffenen Anwohnern neue Ängste auslöst. Sie glauben der Stadt, den Kölner Verkehrs-Betrieben und den beteiligten Bauunternehmen gar nichts mehr - nur zu verständlich, angesichts jener Mischung aus Sorglosigkeit, Dilettantismus und krimineller Energie, die beim Kölner U-Bahn-Bau zutage getreten ist.

Aber wer glaubt, es handele sich bei dem Desaster um ein rein lokales Phänomen, der irrt gewaltig. Fehlende Baukontrolle und Sicherheitsmängel sind nicht allein auf den kölschen Klüngel zurückzuführen. Es ist bloß ein glücklicher Zufall, dass es nicht auch anderswo bei vergleichbaren Bauprojekten bereits zu ähnlichen Katastrophen gekommen ist.

Immerhin steht fest, dass beispielsweise beim Düsseldorfer U-Bahn-Bau ebenfalls systematisch gepfuscht wurde - was ohne die Geschehnisse in Köln niemandem aufgefallen wäre; zumindest so lange nicht, bis es möglicherweise zu spät gewesen wäre.

Das Beispiel Kölner Nord-Süd-Bahn zeigt, wohin es führt, wenn der Staat seine hoheitlichen Aufgaben nicht mehr ausreichend wahrnimmt: Die Aufsicht über den Bau wurde über mehrere Stufen delegiert, bis sich schließlich der Bauherr selbst beaufsichtigte.

Möglich wurde dies durch die bundesweit geltende "Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen". Sie sieht vor, dass sich die eigentlich zuständige Technische Aufsichtsbehörde "bei der Ausübung der technischen Aufsicht anderer sachkundiger Personen oder Stellen bedienen" kann. Explizit sieht diese Verordnung vor, dass die Aufsicht auch an den Bauherrn selbst delegiert werden kann. Dieser Möglichkeit wurde sich nach dem neoliberalen Prinzip der "Entstaatlichung" allerorten bedient.

Es ist höchste Zeit, dass der Gesetzgeber die Konsequenzen aus den Kölner Vorgängen zieht und das von ihm verantwortete System der Unverantwortlichkeit beendet.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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