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Kommentar Kölner EinsturzDeutsche Schizophrenie

Kommentar von Ralph Bollmann

Aus dem Einsturz von Köln sollte man die Lehre ziehen, dass Narben zur Geschichte dazugehören. Das gilt für das abrissfreudige Köln wie für das neurotisch bewahrende Weimar.

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6 Kommentare

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  • TS
    Torsten Steinberg

    Bei der Auslöschung des Kölner Archivs handelt es sich um eine Tragödie, deren Ausmaß nur erahnen kann, der sich für rheinische Geschichte interessiert und das Glück gehabt hatte, in dessen schier unermeßlichem Fundus zu stöbern. Dieses Archiv ist unersetzbar und einzigartig. Denn es verhält sich ja nicht so, dass andere Städte wie Dortmund, Duisburg, Koblenz oder Düren auch nur annähernd Vergleichbares aufzuweisen hätten. Nur anhand der Bestände des Kölner Archivs war es möglich, rheinische Geschichte in ihrem ganzen Facettenreichtum zu erinnern und wieder lebendig werden zu lassen. Es ist schon ein Sakrileg den Trauergottesdienst von jemandem lesen zu lassen, der sich diesen Tatsachen gegenüber so ignorant verhält wie Ralph Bollmann.

     

    Narben gehören zur Geschichte. Das stimmt wohl. Aber wenn schon der ganze Körper von Narben verstümmelt ist, wer ist dann nicht doppelt traurig, wenn das letzte unversehrt gebliebene Glied amputuiert wird?

  • MP
    Markus Popp

    Sehr geehrter Herr Bollmann,

     

    vielen Dank für Ihren Kommentar. Sie sprechen mir aus der Seele.

     

    Durch Totalsanierung historischer Bausubstanz verlieren ganze Strassenzüge ihre Aura. Von rekonstruierten Bauten sind solche Sanierungsopfer oft nicht mehr zu unterscheiden. Es entsteht eine Art Architektur-Disneyland mit einer sauber herausgeputzten Vergangenheit, die so nie existierte.

     

    Auch wahr ist, dass städtebauliche Zerstörung viel zu oft als Folge von Kriegen und Katastrophen gesehen wird, wo doch die bewusste und mutwillige Zerstörung einen ebenso massgeblichen Anteil an der Auslöschung historischer Bausubstanz hat.

  • H
    hagvtr

    Die fahrlässige Vernichtung kultureller Zeugen in Bibliotheken sind aber grundverschieden vom Umgang mit dem baulichem Erbe, hier geht es nicht (nur) um Prunkstücke, sondern ebenso um alltägliches, dessen Bedeutung nicht zu unterschätzen ist!

    Hier sind die Grundlagen historischen Gedächtnisses ausgelöscht wurden, grob fahrlässig in Weimar und falls man in Köln vorgewarnt war, auch dort.

    Der Brand gehört zu der Historie von Bibliotheken dazu, meinetwegen, aber eben als GAU, gerade weil hier unersetzliches zerstört wird und keine Replik möglich ist.

    Wenn dafür ursächlich Kostengründe zu nennen sind, ist der Umgang mit unseren Überlieferungen an kommende Generationen beschämend!

    Ohne Krieg, ohne erschwerende Bedingungen, sind einfach nur Fahrlässig mit unserem Erbe umgegangen.

  • GW
    Gerd Westrup

    Das ist aber mal so richtig gar nichts, dieser Kommentar. Wie kann man Städte wie Köln (knapp 1 Million Einwohnter) mit Weimar (65 000 Einwohner) miteinander vergleichen? Dann spricht der Autor ganz richtig die zudem noch höchst unterschiedliche Geschichte der beiden Städte an, wirft sie aber sogleich seiner verquasten Theorie folgend in einen Eimer bzw. dem Argument zum Fraß vor. Für mich gibt es nur zwei Arten von Gebäuden: häßliche und schöne (wobei selbstverständlich auch Kontext eine Rolle spielt). In Köln gibt es aber verdammt viele häßlich Gebäude. Vielleicht weil die Stadt sich immer wieder erfindet? Madonna sieht ja auch nicht mehr so doll aus.

  • AD
    Axel Dörken

    Oftmals erleb ich nostalgische Gefühle in mir, wenn ich "Altes" erlebe.

     

    Allerdigns finde ich, dass mit der Geschichte und den Überbleibseln aus ihr wenig sinnvoll umgegangen wird.

     

    Die Geschichte, die Vergangenheit ist dazu da, die Gegenwart meistern zu können. Wir als Kollektiv aber glorifizieren sie. wie sagte ein weiser Mann "Kaum zu glauben, dass wir über den heutigen Tag einst als "die gute alte Zeit" werden werden."

     

    Loslassen. Loslassen von Schuld und Schuldbekenntnis. Loslassen von bereits geschehenem. es ist nicht wieder "gutzumachen" oder zu verändern.

     

    Absolution bedingt eines Schuldbewusstseins. Und Schuld kann meines Erachtens nicht gesühnt werden, weil es sie nicht gibt.

     

    Schuld bedingt etwas nicht zum Besten gemacht zu haben. Da jedoch jeder immer sein Bestes gibt, erübrigt sich die Schuldfrage.

     

    Ja, es gibt Fehler. Doch "Fehler" bedeutet, dass etwas gefehlt hat. Wäre es vorhanden gewesen, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit anders gedacht und gehandelt worden.

     

    Lasst die Überlieferung ziehen, welche gehen und freut euch sie gehabt zu haben. Bewahrt die in Ehren, die ihr habt, ohne sie zu vergöttern.

  • BK
    Bjoern Kley

    Was der Städtebau mit dieser menschlichen und kulturellen Katastrophe zu tun hat, würde ich gerne wissen.

    Köln hat eines der herausragendsten städtischen Archive in Europa und ist zudem eine der bedeutendsten Städte des lateinischen Mittelalters. Wenn auch eventuell die Kopie einer Urkunde vorhanden wäre, fehlt das Original, das nicht nur haptisch (so die FAZ) von Bedeutung ist, sondern für die Beantwortung der Fragen nach dem Entstehungszusammenhang von einmaliger Bedeutung ist. Das Erkennen des Materials, der Strichführung ist von grundlegender Bedeutung für die Identifizierung des Schreibers durch den Vergleich mit anderen Urkunden. Gerade in den Stadtarchiven lagern noch viel kaum erforschte Zusammenhänge, weil die Arbeit aufwendig und Zeitraubend ist. Von den einmaligen Prachthandschriften, die uns noch vieles zu erzählen haben über Symbolpolitik möchte ich gar nicht reden. Jeder der das "Vergnügen" hatte zu einer Stadt zu forschen, deren Überlieferung durch den Krieg und andere Katastrophen verloren war, weiß was es heißt, wenn das "Gedächtnis" der Stadt verloren ist. Hier geht es noch weit darüber hinaus. Der Zynismus über Brandflecken auf einer Urkunde oder auf einer Handschrift bei den potentiellen Komplettverlusten zeugt von erbarmungsloser Borniertheit.