piwik no script img

Kommentar KoalitionsvereinbarungAlles für die teure Kundschaft

Kommentar von Ralph Bollmann

FDP und Union versuchen, die Besitzstände aller mächtigen Lobbys zu schonen. Diese Konsenspolitik kommt sie teuer.

E ndlich einigt sich die Union mit der FDP jenseits der Atompolitik auf einen Vorschlag, den sie nicht auch mit der SPD hätte umsetzen können. Denn wie auch immer man zu dem Plan steht, in der Pflegeversicherung eine kapitalgedeckte Komponente einzuführen: Das Vorgehen der künftigen Regierung wäre legitim, würde es tatsächlich um ein Problem und seine Lösung gehen.

So ist es aber nicht. Angela Merkel und Guido Westerwelle brauchen ein Symbol für jene Klientel, die geringere Lohnnebenkosten und mehr Nachhaltigkeit verlangt. Die Pflegeversicherung eignet sich dafür besonders gut, weil es nur um geringe Beiträge geht. Wegen ein paar Euro, so das Kalkül, werden schon keine sozialen Unruhen ausbrechen.

Das Argument der Nachhaltigkeit wirkt schal, wenn man sich die übrigen Politikbereiche anschaut. Das Geld, das die Regierung den Beitragszahlern nimmt, will sie den Steuerzahlern mehrfach zurückzahlen – finanziert auf Pump und begründet allein mit irrealen Wahlversprechen.

Bild: taz

RALPH BOLLMANN leitet das Parlamentsbüro der taz.

Steigende Krankheitskosten durch höhere Lebenserwartung und medizinischen Fortschritt wollte man kurzerhand in Folgen der Finanzkrise umdefinieren und in einen Schattenhaushalt auslagern. Bis die Unterhändler merkten, dass sie die Grenzen der Verfassung überschritten.

Konsenspolitik ist teuer. Arbeitgeber und Gewerkschaften, Ärzte und Patienten – niemanden will die Koalition vor den Kopf stoßen, alle sollen ihre Besitzstände behalten. Wer hingegen über verbriefte Haushaltstitel nicht verfügt, Schulkinder etwa oder Migranten, der bleibt in der Verhandlungslogik außen vor. Darüber sollte die neue Regierung streiten, gerne auch mit den Gewerkschaften. So aber finden sich alle in einer Haltung zusammen, die nur eines ist: konservativ im schlechten Sinn.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!