Kommentar Johannes B. Kerner: Der Musterknabe
Kerner will kürzer treten, doch man darf sich nicht zu früh freuen. Sein täglicher Gruseltalk bleibt - er gibt lediglich seine Kochshow ab, in der er ab und an erträglich war.
Ich liebe es, zu arbeiten. Im Urlaub nach dem Zeitunglesen ein bisschen mit der Firma zu telefonieren ist für mich Entspannung pur." Johannes B. Kerner
Steffen Grimberg ist Redakteur im taz-Medienressort.
Ach, Kerner. Man fragt sich bei diesem begnadeten Streber schlichteren deutschen TV-Geplauders, warum er es eigentlich immer noch nötig hat, den TV-Musterknaben und Arbeitgebers liebstes Kind zu geben. Wahrscheinlich kann er nicht anders.
Und dann lasen wir in der Süddeutschen das Erlösende: Kerner will kürzertreten. Wähnten uns schon erhört, gemäß der Forderung des weisen Winzers, neulich bei "Hart aber fair". Der hatte es so schlicht wie schön auf den Punkt gebracht: "Der Kerner muss raus!"
Doch es ist das Unglück von Streberleichen, dass sie im Zweifel auch noch das Falsche tun: Johannes Baptist Kerner, 43, sagt nicht etwa seinem fast täglichen Gruseltalk Adieu. Sondern hängt das einzige Format an den Nagel, in dem er manchmal sogar bekömmlich war. Und bei dem sein "kleiner Junge will auch mal was sagen"-Charme und sein Hang zum Topfgucken gut erträglich wirkten: Die "JBK Show" bleibt. "Kerner kocht" am Freitag dagegen wird bald Geschichte sein: "Eher kurzfristig" werde er die Kochsendung abgeben, diktiert Kerner der SZ in den Block.
Bevor der Knabe jetzt zu sympathisch rüberkommt: Im gleichen Interview kassiert Kerner seine absolut richtige Entscheidung, die durch ihr Dritte-Reichs-Gewäsch stolpernde Eva Herman aus der Sendung geworfen zu haben: "Ich habe damals falsch entschieden."
Und ganz en passant erfährt man auch noch etwas über einen pikanten Deal zwischen Noch-Spiegel-Chef Stefan Aust und Kerner: Aust ist als Herr über "Spiegel TV" auch so was wie Geschäftspartner von Kerner, da die "Spiegel TV"-Tochterfirma "a + i" die Kerner-Show fürs ZDF produziert. Daher, so Kerner, gibt es eine "hanseatische Absprache", nach der Kerner im Spiegel nicht "gleichzeitig Gegenstand positiver oder negativer Berichterstattung sein" könne. Darüber hinaus, sagt der alte Musterknabe Kerner, werde seine Geschäftsbeziehung zum Spiegel-Verlag von der Öffentlichkeit überbewertet. Geht klar.
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