Kommentar Jepsen-Rücktritt: Das Gewissen der Bischöfin
Wer den Rücktritt der Bischöfin Jepsen verstehen will, muss nachlesen, was sie seinerzeit zum Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann sagte.
Da geht auch sie. Maria Jepsen, die erste lutherische Bischöfin der Welt, tritt zurück - und wem die Kirche überhaupt noch etwas sagt, der kann das nur bedauern. Die Hamburger Bischöfin zieht die Konsequenz aus ihrem, so scheint es heute, allzu laxen Umgang mit den Fällen von Missbrauch durch einen Pfarrer in Ahrensburg - ein Verbrechen, von dem sie 1999 erfahren haben soll. Da war sie schon sieben Jahre im Amt. Ihre von ihr ziemlich unabhängige Kirchenleitung hatte sie noch am Freitagmorgen verteidigt: Jepsen habe getan, was ihr möglich war, es seien nur anonyme Anschuldigungen gewesen. Aber das reichte offenbar auch Jepsen nicht. Die 65-Jährige tritt zurück, zwei Jahre vor dem geplanten Abschied in den Ruhestand.
Wer diesen Schritt verstehen will, muss nachlesen, was sie in ihrem letzten großen Interview mit der taz Mitte Mai zum Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann gesagt hatte: "So bedauerlich das ist, dann erwarte ich auch eine Konsequenz. Ich hoffe auch, dass das einen Vorbildcharakter hat."
Und: Die hannoversche Bischöfin habe so gezeigt, dass sie "mehr Stärke" habe "als die vielen starken Männer, die sonst so auftreten. Das fand ich ein Zeichen von Größe. Es steht ein Mensch für das, was er gemacht hat."
Man kann diesen Schritt aus größter Gewissenspein heraus als typisch protestantisch belächeln. Man kann sich darüber ärgern, dass Männer - siehe den Fall des katholischen Bischofs Walter Mixa - bei viel schlimmeren Sünden fast zum Rücktritt geprügelt werden müssen. Man kann auch hier fragen: Schadet dieser Rücktritt ihrer Kirche nicht mehr, als er ihr hilft? Und ist er nicht auch, wie bei Käßmann, ein Rückschlag für die Frauen in Deutschland?
Jepsen aber wollte sich nicht an diesen Fragen und nicht an Leuten wie Mixa messen lassen. Ihr Maßstab war die Konsequenz einer Margot Käßmann, mit der sie so viel verband. Und es war ihr Gewissen. Deshalb gebührt ihrem Schritt wie ihrem Wirken insgesamt Respekt.
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