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Kommentar FreigängerSexualstraftäter haben Rechte

Gernot Knödler
Kommentar von Gernot Knödler

Der Mann erhielt eine moderate Strafe. Ihm wurde eine positive Sozialprognose gestellt, sonst hätte er keinen Freigang gewährt bekommen.

E in Teil der Belegschaft des Eurogate-Containerterminals in Bremerhaven will per Streik erzwingen, dass ein verurteilter Sexualstraftäter nicht wieder zur Arbeit kommen darf. Das ist in vielerlei Hinsicht falsch.

Der Mann, der sich an einem Kind vergangen hat, ist für seine Tat verurteilt worden und verbüßt seine Strafe – auch wenn ihm Freigang gewährt wurde. Die Arbeiter und Arbeiterinnen auf dem Terminal dürfen das Recht nicht in die eigene Hand nehmen. Es steht nicht in ihrem Ermessen, die Strafe dadurch zu verschärfen, dass sie dem Mann vollends sein Leben kaputt macht.

Sein Fall ist klar abzugrenzen zu den Fällen der Sicherungsverwahrten, die in jüngerer Zeit vielerorts für Aufruhr sorgten. Der Mann erhielt eine moderate Strafe. Ihm wurde eine positive Sozialprognose gestellt, sonst hätte er keinen Freigang gewährt bekommen. Eine Gefahr geht von ihm aller Wahrscheinlichkeit nach nicht aus. Er hat das Recht, wieder in die Gesellschaft integriert zu werden und die Gesellschaft fährt besser damit, ihn wieder einzugliedern, statt ihn für viel Geld aufs Abstellgleis zu schieben und damit zum Risiko zu machen.

Es ist unangenehm mit einem straffällig gewordenen Pädophilen zusammen zu arbeiten. Die heftige Reaktion in Bremerhaven ist damit allein aber nicht zu erklären, sondern wohl eher damit, dass sich der straffällig gewordene Pädophile so sehr als Projektionsfläche anbietet. Jemand, der sich an Kindern vergeht, ist das Schwein per se. Denn Kinder können sich nicht wehren, sie gelten als "unschuldig“ – im Gegensatz zu Erwachsenen, die doch immer irgendwie Dreck am Stecken haben.

Der „Kinderschänder“, der ja eigentlich nicht Schande über die Kinder bringt, sondern über sich selbst, repräsentiert also das absolute Böse. In ihm findet sich etwas, von dem man sich eindeutig abgrenzen kann und das man hemmungslos bekämpfen darf. Beides dient nicht zuletzt dazu, mit der eigenen Angst umzugehen.

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Gernot Knödler
Hamburg-Redakteur
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10 Kommentare

 / 
  • A
    Arne

    Tja, tja, die blöden Arbeitnehmer! Jetzt wollen sie sich auch noch Rechte herausnehmen und sagen, mit wem sie in einem Team zusammenarbeiten wollen und mit wem nicht. Anstatt einfach brav die Entscheidungen der Geschäftsführung zu akzeptieren und dann, wie es ansonsten in deutschen Betrieben abläuft, mit ordentlich Mobbing den unerwünschten Kollegen rauszuekeln.

    Ist der Kommentar eigentlich von einem der katholischen Bischöfe geschrieben worden, die die Pfarrer, die ihre Ministranten vergewaltigten, auf eine andere Pfarrstelle versetzten und ihnen eine neue Chance gaben?

     

    Ich finde, da werden völlig unreife Schlüsse aus der Sache gezogen. Es zeigt erstmal, dass Strafe eine ziemlich blöce Sache ist, die auch in dem Kommentar so rüberkommt, als müsse man Rache üben und nach vollzogener Rache sei alles wieder in Ordnung. Die Strafe ändert nichts an der Haltung eines Einzelnen zu der Tat. Man sollte mal darüber nachdenken, welche Möglichkeiten anstelle der Strafe bestehen würde, dass der Täter sich rehabilitieren kann. Dafür muss man aber wirklich den Fall kennen, worüber der Kommentar und auch die bisherigen Berichte leider genausowenig verraten, wie sich die Einsichtsfähigkeit des Täters und seine bisherigen Maßnahmen zur Wiedergutmachung darstellen.

  • T
    Tim

    Wirklich beeindruckend, wie viele Menschen die Sachlage, die zur Verurteilung des Mannes geführt hat, so genau kennen, dass sie entscheiden können, das seine Strafe unangemessen kurz ist. Da bräuchte man eigentlich gar keinen Richterspruch, es scheint ja eh jeder zu wissen, wie der Mann zu bestrafen ist.

     

    Bin ja schon beeindruckt, dass die Streikenden nicht mit Fackeln und Mistgabeln zum Dienst erschienen sind.

  • A
    ama.dablam

    @Lars: man kann sich über den Gebrauch des Wortes Mißbrauch streiten, aber ich denke, jeder reflektierte Mensch versteht den Sinn und kommt nicht zwangsweise auf den Umkehrschluß, es gäbe so etwas wie legalen Gebrauch.

     

    Solange das StGB selbst von Mißbrauch spricht, kann man Journalisten schwerlich einen Vorwurf machen.

  • U
    Urnenfeld

    Der Mob hat nicht immer recht. Die Festlegung des Strafmasses und der Strafvollzug liegen zu Recht und wohl überlegt nicht in der Hand der Selbstjustiz - so ekelhaft das zugrundeliegende Verbrechen auch ist. Allerdings muss auch angemerkt werden, dass sich die Firma offensichtlich formale Schnitzer bei der ersten Kündigung geleistet hat und anwaltlich schlecht beraten wurde. Das dies nun diese Konsequenz hat, kann man nur als unglücklichen Zufall bezeichnen. Gleichwohl wird mir schlecht, dass mangelndes Rechtsverständnis und schlechtes juristisches Handwerk nun durch gesundes Volksempfinden ausgeglichen werden soll.

  • P
    pablo

    Und das recht des Opfers nicht Opfer zu werden? Wie immer wird über den Täter geredet und das Opfer vergessen. Kein vergeben kein vergessen weder den Nazis noch den Pädophilen

  • P
    Piet

    @ Cometh & Uticensis

     

    Bull's eye! Danke.

     

    Die Stimme der Vernunft ist noch nicht völlig

    zum Schweigen gebracht durch die

    totalitäre Gehirnwäsche von Political Correctness

    und kulturmarxistischem Mainstream – beruhigend!

  • I
    Ich

    Wie ist eigentlich die Sozialprognose des betroffenen Kindes?

     

    Sicher spielt die "Ablehnung des Bösen" eine Rolle, aber wenn Opferschutz und Wiedergutmachung in diesem Land nicht so eine untergeordnete Rolle spielen würden, dann hätten die Menschen sicher auch mehr Verständnis für die Täter.

     

    Mein Vorschlag: nachdem der Täter seine Strafe verbüßt hat, widmet er sich aktiv der Wiedergutmachung: der Teil seines Arbeitseinkommens, der den ALG II Bedarf übersteigt, wird komplett für Therapie u.ä. an das Opfer überwiesen. In diesem Fall würden die Kollegen sicher nicht mehr streiken!

  • L
    Lars

    Natürlich besteht prinzipiell die Möglichkeit und Notwendigkeit, einem Sexualstraftäter die Rückkehr in die Gesellschaft zu ermöglichen.

     

    Aber sollte dies nicht von mehr abhängen als nur einer verbüßten Haftstrafe?

     

    Wäre es im Sinne der gesellschaftlichen Entwicklung nicht wünschenswert wie nötig, eine aktive Auseinandersetzung zwischen Täter und Umfeld zu sehen, die natürlich nicht durch Gewalt, sondern Gespräch und Kommunikation geprägt sein sollte?

     

    Ein Sexualstraftäter hat die gesellschaftliche Verpflichtung, sich für seine Tat zu rechtfertigen, und auch klar zu machen, wieso er sich selbst und anderen versichern kann, das eine solche Gefahr von ihm nicht mehr ausgehen kann (hier gibt es ja durchaus Ansätze wie freiwillige Therapie, freiwillige Verpflichtung zum Fernhalten von kritischen Situationen).

     

    Die Norm sagt: Strafe verbüßt, Problem gelöst.

     

    Genau das fördert aber die erneute Straffälligkeit von Sexualstraftätern wie auch die allseits präsente Ausgrenzung eben dieser, wo das eventuell nicht notwendig oder wünschenswert ist.

     

    Leider stellen unsere Gesellschaftlichen Normen für die Wiedereingliederung eben keine Verhaltensweisen auf, schon gar keine Brauchbaren. Hier muss die Gesellschaft - und das sind wir alle - dran arbeiten.

     

    Dass eine Sexualstraftat kaum nur durch die Verbüßung der Strafe aus der Welt geschafft ist, erklärt sich schon durch die Schwere dieser Taten: kaum ist nachvollziehbar, wie ein Mensch leichtfertig, quasi ohne eigene Kontrollmöglichkeit - wie hier im Beispiel - die eigene Stieftochter vergewaltigt.

     

    Und es wäre schön wenn auch die TAZ es endlich schaffen würde, das unsägliche Wort Mißbrauch (kommt von gebrauch) aus ihrem Wortschatz zu streichen. In diesem Kommentar ist das gelungen, im zugehörigen Hauptartikel jedoch nicht.

  • C
    Cometh

    Ich sehe das nicht so.

     

    Man kann den Fall einfach anders bilden: Ein verurteilter NSU-Täter kommt irgendwann wieder frei und will wieder in einem Betrieb arbeiten, in dem auch Ausländer sind. Die Sache wäre doch klar: Denen kann man das nicht zumuten, würde es überall heißen. Oder: Herr Sarrazin will bei einem türkischen Gemüsehändler einkaufen. Geht nicht. Da gibt es Proteste, wetten?

     

    Und genauso ist es mit diesem Typen. Der kann seine Strafe voll abgesessen haben, aber ich muss den nicht als Kollegen akzeptieren.

  • U
    Uticensis

    Letztlich ist der Kommentar eine Aufforderung zu lemminghafter Untertanengesinnung, obwohl doch die taz Verständnis haben müsste sogar für zivilen Ungehorsam. Und hier werden ja nicht einmal Gesetze gebrochen, sondern nur der soziale Verkehr mit dem Täter verweigert.

     

    Man darf als selbst urteilender Bürger eine so überaus milde Bestrafung, die effektiv kaum eine Freiheitsentzug bedeutet, für einen Hohn halten. Man darf auch das Gerede von Resozialisierung durch Eingliederung in die Arbeitswelt hier für absurd halten, denn der Täter war in dieser Hinsicht ja nie entsozialisiert - gerade die vorliegende Tat ist offenbar keine Ausdruck einer generellen Entsozialisierung, sondern des spezifischen Versagens eines gut in die Gesellschaft eingegliederten Menschen. Dass das Schicksal Arbeitsplatzverlust, das viele Unschuldige trifft, diesen Täter umwerfen würde oder seine Rückfallprognose beeinflussen würde, ist überhaupt nicht ersichtlich.