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Kommentar FDP-ChefWesterwelle, Stoiber und Kurt Beck

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Nichts spricht dafür, dass die FDP ohne Westerwelle beliebter wird. Die Ursache der Liberalen-Krise ist nicht der Mann, sondern der hoffnungslos veraltete Markenkern.

E s war nur eine Frage der Zeit und nahender Landtagswahlen, bis Guido Westerwelles Negativimage vom Wahlvolk auf seine Partei überschwappte. Jetzt, da dutzende FDP-Abgeordnete im nächsten Jahr um ihre Mandate bangen müssen, wird der Parteivorsitzende in Rekordgeschwindigkeit vom umjubelten Star zum Deppen gemacht, der die eigene Karriereplanung in Gefahr bringt. Wir kennen dieses Phänomen aus anderen Parteien. Vor Jahr und Tag erging es Kurt Beck von der SPD, ebenso wie, äh, Edmund Stoiber bei den Christsozialen, so wie Westerwelle heute.

Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie nicht über einen veritablen Skandal stürzten, sondern von der Wahlpanik ihrer Parteien weggefegt wurden. Doch bekanntlich ging es SPD und CSU nach dem Rauswurf von Beck und Stoiber keineswegs besser. Wieso sollte das bei einer Entfernung von Guido Westerwelle aus dem Amt des FDP-Parteivorsitzenden anders sein?

Tatsächlich spricht nichts dafür, dass die FDP ohne Westerwelle auf Dauer beliebter wird. Gut, ein wenig seriöser vielleicht - aber das ist keine Garantie für neue Höhenflüge, für die der Parteichef einst in der Partei geliebt wurde. Tatsächlich verfügen - siehe Beck und Stoiber - die FDP-Weihnachtsmänner weder über eine vorzeigbare personelle Alternative noch über ein anderes Programm. Sie denken offenbar, eine Katharsis, die sich allein auf das Auswechseln eines Kopfes beschränkt, würde ausreichen, damit Metzgermeister, Zahnärzte, IT-Fachleute und die, die es werden wollen, wieder reumütig zu ihnen zurückzukehren. Das ist ein Trugschluss.

Bild: taz

Klaus Hillenbrand ist Chef vom Dienst bei der taz.

Denn die Krise der FDP mag durch die Person Westerwelle personifizierbar sein. Die eigentliche Ursache ist der Mann aber nicht. Die liegt darin begründet, dass der Markenkern der Liberalen hoffnungslos veraltet ist: Steuersenkungen sind out, die Freiheit des Markts seit der Finanzkrise anrüchig, das Lob des Tüchtigen angesichts von Kinderarmut obszön. Das FDP-Programm mag mit Guido Westerwelle verbunden sein, aber seine Erfindung ist es bei aller Ehre dann doch nicht.

Einfallsloser, als den Parteichef abzusägen, kann eine Partei in dieser Situation kaum reagieren. Und viel dümmer auch nicht. Aber das ist nicht verwunderlich in einer Partei, in der nicht die Liberalität, sondern die nackte Angst vor dem Jobverlust regiert.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

10 Kommentare

 / 
  • C
    Celsus

    Vor allen Dingen aber ist die Konkurrenz der FDP sehr stark. Das "Verdienst" der Einführung von Hartz IV liegt nicht bei der FDP. Das wurden von einer Mehrheit von SPD und Grünen ausgeheckt und eingeführt. Kurt Beck war im übrigen ebenso für Hartz IV wie Edmund Stoiber und Guido Westerwelle.

     

    Und jetzt gibt es eine CDU-Ministerin, die bei Hartz IV alles mögliche rausrechnet. Über das Rausrechnen von Tabak und Alkohol redet sie gerne. Aber was darüber hinausgeht wie z. Bsp. Zimmerpflanzen - einschlioeßlich Weihnachtsbaum - wird dann von der scheinheiligen Minsiterin öffentlich lieber totgeschwiegen.

     

    Aber sei es drum: Wenn Leute erwarten, dass den Arbeitslosen das letzte Butterbrot genommen wird, verbinden sich die Hoffnungen ehr mit dieser Ministerin der CDU als mit der FDP.

     

    Ansonsten wurde die FDP immer mehr von den Grünen als Öko-FDP verdrängt. Das sind sehr langfristige Entwicklungen und Entscheidungen gewesen. Da kommt die FDP so leicht nicht mehr aus dem Tief. Auf einmal religös geworden träumen einige Anhänge von eienr Wiederauferstehung der Partei. Aber viel wahrscheinlicher ist der historische Abschied der FDP. Udn da sollte noch einmal ausführlich über deren nächsten Parteitag berichtet werden, um da nichts zu verpassen.

  • ET
    El Tres

    Steuersenkungen sind nicht unbedingt out, aber eine Partei die mit dem Versprechen von Steuersenkungen antritt und als einzigen Erfolg Klientelpolitik aufweisen kann, ist einfach unglaubwürdig. Vielleicht wäre Neoliberalismus und freier Markt in der momentanen Krise richtig, wie der erste Kommentar behauptet. Aber von der FDP hört man absolut nichts dazu. Etwas Reflektion würde der Partei gut zu Gesicht stehen (allen Parteien übrigens). Das große Problem der FDP: Westerwelle ist mit Abstand der fähigste Politiker in der Partei. Brüderle oder auch Lindner könnten nicht mehr als den Untergang verwalten, sonst ist auch niemand in Sicht.

  • W
    Westberliner

    @ 20.12.2010 12:43 Uhr:

    von Schattenfels:

     

    Erst beutet der Kapitalismus die Leute in Afrika, Südamerika, Indien und so weiter aus. Dann nimmt er diese als Vergleich zur hiesigen Armut?

     

    Toller Vergleich, den du da gewählt hast.

  • NW
    Nicholas Williams

    Meine Güte, ich wusste gar nicht, dass so viele FDP Fans und Mitglieder die taz lesen, aber ich täusche mich wohl, wenn ich die Kommentare auf dieser Seite lese. Umso schöner, wenn Sie nervös werden, das wollen wir bösen Linken ja. Und, ach ja: wir wollen Ihnen auch nicht mehr die Hotelsause steuervergünstigt hinterherschmeißen, aber dass wir solch gefährliche, umstürzlerische Pläne hegen, wissen Sie ja bereits.

    Interessant ist höchstens Schattenfels' Beitrag. Das ist schon wieder so abstrus, dass man Ihnen nur raten kann, auf den Mars zu ziehen. Der ist frei von jeder Staatlichkeit, und damit können Sie dort auch steuerfrei wirtschaften. Sie können zwar auch keinerlei Infrastruktur oder sonstige staatlich finanzierte Güter nutzen, aber das ist dann ja wohl Ihr Problem - um nicht zu sagen ganz in Ihrem Sinne.

    Viel Vergnügen!

  • M
    Martin

    Ich finde den Artikel sehr gut.

  • W
    Waage

    @Schattenfels

     

    das die taz-Klientel "alles bestreitet außer ihren Unterhalt" ist eine Plattitüde mit Bart so auf dem Level "lange Haare - kurzer Verstand" von meinem Opa.

     

    Ansonsten ist Ihr Kommentar eine anregende und unterhaltsame Polemik, wirklich ernst nehmen kann man so etwas aber nicht.

  • MN
    Mein Name

    Zum Deppen hat sich Herr Westerwelle selbst gemacht. Wer spätrömische Dekadenz in einen Zusammenhang mit Hartz IV-Empfängern stellt, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.

  • DK
    Dieter Kleinschmied

    Hallo Herr Hillenbrand,

     

    "das Lob des Tüchtigen [ist] angesichts von Kinderarmut obszön"

     

    Durch nicht arbeiten ist auch keinem Kind geholfen. Irgendwoher muss die Kohle schon kommen, mit denen dann die Kinderarmut bekämpft werden kann. Und ja, Leute, die das Geld für Steuerzahlungen erwirtschaften, gebührt ein Lob.

     

    MfG,

    Kleinschmied

  • A
    Aletheia

    Erstaunlich Herr Klaus Hillenbrand, NICHT EIN Wort zur sozialrassistischen Kopfpauschale...

    zumal diese erst vor wenigen Wochen verabschiedet wurde...

     

    (Also von jener hist.-denkwürdigen BT-Sitzung, in der FDP-Minister/PKV-Mietmaul Philip Rößler vor der Abstimmung über die "Entkopplung der Gesundheits- von den Arbeitskosten" erheitert der Übertragungskamera zuzwinkerte und sich noch dreist für die eigene Handyaufnahme positionierte.)

     

    Zur Erinnerung !

    - "Die Kopfpauschale kommt!" -- www.tagesschau.de/kommentar/kommentar380.html

    - "Konterreform der Sozialversicherung: Zurück vor Bismarck" -- www.jungewelt.de/2010/01-26/038.php

    - Gesundheitswesen: Demütigung als Programm -- http://publik.verdi.de/++skin++print/2010/ausgabe_01_02/gesellschaft/meinung/seite-15/A3?

  • S
    Schattenfels

    "Steuersenkungen sind out, die Freiheit des Markts seit der Finanzkrise anrüchig, das Lob des Tüchtigen angesichts von Kinderarmut obszön."

     

    Out ist Ihr Bart, obszön ihr Realitätsverlust.

     

    Steuersenkungen sind vielleicht bei der taz-Klientel out, die alles bestreitet, außer ihren Lebensunterhalt.

     

    Die Freiheit des Marktes ist das Gegenteil von Krise inkl. Banken- und Eurorettung, für die alle fünf Linksparteien im Bundestag waren. Was wir erleben, ist Sozialismus für die Banken und Versagerstaaten. (Neo)-liberale Prinzipien wurden mit der Beseitigung von Haftung und Geschäftsrisiko ausgehebelt - auch durch die FDP. Hätten wir einen echten Markt ohne Rettungsschirme und Landesbanken (gelobt sei der allwissende Staat) hätte eine Marktbereinigung längst stattgefunden.

     

    Dass der Tüchtige in Deutschland der Dumme ist, mag Sie freuen, sie sind ja nicht betroffen. Tüchtig Dummschwätzen wird - wie wohl auch in Ihrem Falle - selten gut bezahlt. Mein Beileid!

     

    Kinderarmut gibt es "dank" ruinöser Umverteilung in Deutschland praktisch nicht. Kein Kind muss hungern und es wird mit der Polizei sogar kostenlos zur Schule gebracht, wenn es nicht hin will. Ich wünschte, die Kinder in Afrika, Südamerika, Indien etc. wären so "arm" wie hier. Die reichsten Kinder der Welt als arm zu bezeichnen, ist obszön.