piwik no script img

Kommentar Europäische VolksparteiSteigbügelhalter im Sattel

Kommentar von Daniela Weingärtner

Als größte Fraktion im Europaparlament hat die Europäische Volkspartei Einfluss auf wichtige Entscheidung. Aber muss die CDU dafür mit Italiens Alleanza Nazionale kooperieren?

Wird ein Berlusconi-Getreuer demnächst Chef des Europaparlaments? Wenn die neu gegründete "Il Popolo della Liberta" bei der Europawahl Anfang Juni gut einschlägt, könnte sie die deutschen Christdemokraten vom Spitzenplatz in der Europäischen Volkspartei (EVP) verdrängen. Die euroskeptischen britischen Tories, die derzeit immerhin 27 der 287 EVP-Abgeordneten stellen, werden die Fraktion verlassen. Und Berlusconi wird durch die Fusion seiner Forza Italia mit der Alleanza Nazionale die Postfaschisten in die EVP einschleppen, die bislang in der Splitterfraktion "Union für das Europa der Nationen" untergekommen waren.

Die größte Fraktion im Europaparlament zu sein, garantiert Einfluss auf die Wahl des Kommissionspräsidenten und Zugriff auf die begehrtesten Ausschüsse und den Posten des Parlamentspräsidenten. Dass bis 1994 stets die Sozialdemokraten und Sozialisten (SPE) diese Privilegien genossen, wurmte unter anderem den großen Christdemokraten und Europäer Helmut Kohl. Deshalb legte er seinen Parteifreunden von der EVP nahe, ihren Widerwillen gegen schräge Vögel am rechten Rand zu überwinden und auch bei den Euroskeptikern ein Auge zuzudrücken. Gleich nach der Europawahl 1994 wurde Berlusconis Forza Italia in die Fraktion geholt, die schon damals in Italien eine Koalition mit der postfaschistischen Alleanza Nazionale unter Gianfranco Fini bildete.

Der Pakt zahlte sich machtpolitisch aus. 1999 und 2004 wurden die Christdemokraten stärkste Kraft bei den Europawahlen, beförderten die Wahl Romano Prodis und auch die seines konservativen Nachfolgers Manuel Barroso ins Amt des Kommissionspräsidenten. Den Job des Parlamentspräsidenten ergatterten sie immerhin für jeweils die halbe Legislaturperiode - derzeit ist der deutsche Christdemokrat Hans-Gert Pöttering Chef des Hohen Hauses. Doch nach der nächsten Europawahl sitzt die Alleanza Nazionale mit in der Fraktion. Die Christdemokraten werden sich dann fragen lassen müssen, ob der Preis für die guten Posten der vergangenen zehn Jahre nicht doch zu hoch war.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!