Kommentar Doping: Staatssport am Scheideweg
Claudia Pechstein ist Beamtin auf Lebenszeit und Eisschnellläuferin. Die Sportart wird mit üppigen Staatsgeldern finanziert. Ihr Dopingfall ist ein Desaster für das fragwürdige System.
S ie haben Angst. Ausgerechnet Claudia Pechstein, die beste deutsche Wintersportlerin, die fünffache Olympiasiegerin im Eisschnelllauf ist wegen Doping gesperrt worden. Sollte ihre Sperre vor dem Internationalen Sportgerichtshof bestätigt werden, es wäre ein Desaster für das System staatlicher Sportförderung in Deutschland.
ANDREAS RÜTTENAUER ist Sportredakteur der taz.
Diesmal geht es nicht um einen Radler, der im Kampf und Anerkennung und Geld in einem von der Wirtschaft mit immensen Mitteln gepäppelten Profisport mitmischen will und darüber zum Dopingsüchtigen wird. Es geht um eine der prominentesten Vertreterinnen des deutschen Staatssports.
Claudia Pechstein ist als Polizeihauptmeisterin der Bundespolizei Beamtin auf Lebenszeit. Die Eisschnellläuferin ist Protagonistin einer hoch subventionierten Sportart. Ruhm und Ehre soll dem Lande das finanzielle Engagement des Staates für den Sport bringen. 2006 hat Claudia Pechstein die deutsche Fahne bei der Schlussfeier der Olympischen Spiele von Turin getragen. Sie marschierte als Werbeträgerin für die deutsche Nation ins Olympiastadion.
Kein Wunder, dass sich der Deutsche Olympische Sportbund überaus zurückhaltend im Fall Pechstein äußert. Thomas Bach, sein Präsident, führt die Unschuldsvermutung ins Feld. Pechstein verbreitet auf ihrer Homepage, dass ihr Dienstherr hinter ihr stehe. Es findet sich kaum ein Funktionär oder Politiker, der den indirekten Beweis für Dopingpraktiken als Meilenstein im Kampf gegen Manipulationen preisen würde. Die Reihen schließen sich hinter Pechstein.
Dabei wäre es jetzt an der Zeit, endlich über einen Ausstieg des Staates aus der nationalen Spitzensportförderung, der sich nach einem Dopingfall Pechstein leicht begründen ließe, nachzudenken. Noch gelingt es den medaillengeilen Sportföderern und Nutznießern jede Diskussion darüber im Keim zu ersticken. Schade.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Außenministertreffen in Brüssel
„Europa spricht nicht die Sprache der Macht“