Kommentar Doping-Überwachung: Türöffner Sport
n einer Zeit, in der das Datensammeln zur Lieblingsbeschäftigung von Innenpolitikern gehört, ist Vorsicht geboten, wenn eine Sportler-Datenbank allzu unkritisch gesehen wird.
Spitzensportler sind unfreie Menschen. Nein, nicht die Fron auf den Trainingsplätzen und in den Krafträumen macht sie zu einer Kaste der Entrechteten in der modernen Gesellschaft. Wer mitlaufen, mitturnen, mitrudern will im großen Sportbetrieb, der muss einen Vertrag abschließen mit seinem Verband. Darin veräußert er einen Teil seiner Grundrechte. Er ist gezwungen, sich einem Überwachungssystem zu unterwerfen, das ihn dazu zwingt, Angaben zu seiner Person, zu seinem Aufenthaltsort und zu seinem Gesundheitszustand zu machen, und weiß nicht einmal, wer die Daten einsehen kann.
Gut und wichtig im Kampf gegen das Doping sei das, meinen die meisten Sportler. Das sagen die, die sich sicher sind, dass sie nichts zu verbergen haben, ebenso wie diejenigen, die betrügen und glauben, dass man sie trotz aller Überwachung nicht erwischen wird. Auch der Großteil des Sportpublikums steht hinter dem Kontrollsystem, hilft es doch die Illusion vom fairen Wettkampf aufrechtzuerhalten, ohne die ein Sportereignis nicht auskommt. Auch die Sportpolitiker haben nichts gegen die Datensammlungen, verhelfen sie dem Sport doch zu dem scheinbar sauberen Anschein, in dem sich die Regierenden so gerne sonnen. Die Entrechtung der Sportler ist populär.
Hier liegt das Problem. In einer Zeit, in der das Datensammeln zur Lieblingsbeschäftigung von Innenpolitikern gehört, ist Vorsicht geboten, wenn eine Datenbank allzu unkritisch gesehen wird. Was beim Sport möglich ist und akzeptiert wird, das könnte bald auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen zur Anwendung kommen. Nachdem Ende der 90er-Jahre deutsche Hooligans brandschatzend und schlägernd durch Europa zogen, wurde die zentrale Datei "Gewalttäter Sport" angelegt. Sie wurde in der Folge regelrecht gefeiert. Unter Hausarresten und Reisebeschränkungen haben seither auch etliche Globalisierungskritiker zu leiden, die sich an Protesten im Ausland beteiligen wollten. Vorsicht also: Der Sport könnte einmal mehr zum Türöffner für die Beschneidung bürgerlicher Freiheiten werden. ANDREAS RÜTTENAUER
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