Kommentar Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Sigmar Gabriel steckt Ohrfeigen ein, Frau Rüttgers weint, und Schalke verliert. Aua.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Liebe Griechen, bitte auch für sehr viel Geld keinen deutschen Atommüll nehmen, okay?
Was wird besser in dieser?
Leute, vor uns liegt eine weitere schöne Woche, in der Schalke nicht Deutscher Meister ist.
Schlussspurt der Parteien in NRW: Die CDU malt das Schreckgespenst Andrea Ypsilanti an die Wand, die SPD hängt der Union eine "Spendenaffäre" an. Wer ist taktisch geschickter?
Friedrich Küppersbusch ist Fernsehproduzent und wird von der taz jede Woche zum Zustand der Welt befragt
Auf alle Rüttgers-Plakate Preisschilder kleben ("Für 6.000 Ocken können Sie hier mit drauf!"), auf Pinkwart-Plakate drei Namen zur Auswahl ("Kennen Sie diesen Mann?"). Na, und die Junge Union könnte SPD-Plakate mit Einstein-Logo pflastern und dem Claim "Kraft mal weg". Ja, hätte schön sein können. Isses aber nich: Neuerdings wird vor der Wahl fast nur über Koalitionskonstellationen gefaselt, dafür hinterher dann nicht über Inhalte. Rüttgers war nach einer Kampagne unter anderem zu Schule und Verkehrspolitik gewählt worden. Zwei Begriffe, die er nun nicht mal in den Mund nimmt, nachdem er beim Verkehr nichts verbessert und bei den Schulen heilloses Chaos gestiftet hat. Stattdessen konzentriert er sich aufs Jovial-tatkräftig-Gucken. Was Kraft mit Mutti-macht-das-Lächeln und einem feinen Sud aus Johannes-Rau-Vokabeln auch nicht kontert. Die wollen beide Bundespräsident von Düsseldorf werden, nicht das Land profilieren.
NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers greift im Wahlkampf zur schärfsten Waffe, einer Homestory in der Bunten. Ehefrau Angelika lässt es da so richtig menscheln und verrät, dass sie nah am Wasser gebaut hat. Muss das sein?
Dass sie bei Wahlkundgebungen ihres Gatten weint, teilt sie ja mit seinen PR-Beratern. Rüttgers Rhetorik - extreme indoor fatnapping. Die Strecke seiner freihändig erlegten eigenen Socken - stattlich: Die "Kinder statt Inder"-Sache, die ausländerfeindlichen Ausfälle gegen Rumänen, die Schwindelpirouetten für und gegen Hartz. Landesvater und Gattin menscheln auch allerhand Stadthallen voll, während Hannelore Kraft ihren first husband eher schüchtern vermerkelt. Mit diesen Geschichten kann man die Wahl nicht gewinnen, sehr wohl aber verlieren. Sehr amerikanisch, sehr orientiert an den klein- und bürgerlichen Milieus, die überhaupt noch diszipliniert wählen gehen.
Kanzlerin Merkel warnt vor einer möglichen Koalition von SPD und der Linken in NRW: Auch Ypsilanti habe vor der Wahl "Niemals" gesagt. Die arme SPDlerin Hannelore Kraft?
Das ist die verdiente Ohrfeige für Sigmar Gabriel, der ganz, ganz dringend SPD-Vorsitzender werden musste, um alle Fehler seiner Vorgänger endlich auch mal selber machen zu dürfen. Kurt Beck und seine zaudernde, zu späte Öffnung für Rot-Rot wäre heute zwei Jahre alt und Schnee von gestern. Die Linkspartei in NRW: ein paar Handvoll notorische Soziology-Sektierer und ansonsten jeden Menge Ver.di und IGM-Kollegen, die Schrödefering aus der Partei geekelt haben. Statt skrupellos und mit Machtappetit die SPD aus dem 20-Prozent-Keller zu holen, lässt sich auch Gabriel von der FDJ-Sekretärin Merkel gängeln. Jetzt hat er beides: keine Koalition mit der Linken und Haue, als hätte er sie doch.
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) will arbeitslosen Männern einen Job als Erzieher anbieten. Super Idee oder super Schwachsinn?
Dass Jungs ihren ersten Lehrer heute oft erst auf der weiterführenden Schule sehen, dass sie durch harte vier Jahre ohne Rollenvorbild müssen, liegt auch daran, dass Grundschullehrer, Erzieher, Vorschulpädagoge einfach zu schlecht bezahlt wird. Was Schröder vorschlägt, heißt: Die Grundschullehrerinnen sind noch viel zu gut bezahlt, eigentlich können den Job auch Leute, die zum gleichen Tarif aufm Schulhof Müll aufsammeln.
General McChrystal, der die Afghanistantruppe führt, fordert von der Bundeswehr, aus ihren geschützten Feldlagern herauszukommen. Richtig so?
Krieg, also der Verteidigungsfall, muss vom Parlament festgestellt werden. Das hat nie stattgefunden. Dem hat eine formelle Kriegserklärung zu folgen - an wen eigentlich? Bin Laden vorladen? Und von dem Moment an ist Merkel Oberkommandierende der Streitkräfte, nicht mehr zu Guttenberg. Beider Geschwätz vom "Krieg" geht also mit mehrfachem Bruch der Verfassung einher; wir werden von einem deutschen Unikum regiert: einer verfassungsfeindlichen Ziviljunta. Merkelwelle verstehen offenbar nicht, dass die Friedensliebe der großen Mehrheit hier ihre einzige Chance ist, aus der Nummer rauszukommen. Und "Germans to the front"-Rufe abzuwehren.
Und was machen die Borussen?
Uns doch egal, wer unter uns Meister wird! FRAGEN: CAK
Die Grundschullehrerinnen sind noch viel zu gut bezahlt" -->
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren