Kommentar Der Rassebegriff: Weiß sein ist nicht normal
Den Begriff "Rasse" aus dem Grundgesetz zu streichen und stattdessen von "rassistischen Benachteiligungen" zu sprechen, ist eine längst überfällige Zäsur.
G emäß dem allgemeinen, auch deutschen Hausverstand hat wahlweise Gott, die Natur oder die Evolution ihrem Wesen nach unterschiedliche Menschengruppen geschaffen: Weiße, Schwarze, Gelbe. Um vom Mindesten zu reden. Der Fehler liege nun darin, dass Schwarze als minderwertig und Weiße als kulturell überlegen bewertet würden.
Doch schon diese vermeintlich politisch korrekte Haltung ist grundfalsch: Unterschiedliche Rassen sind nicht der Ausgangspunkt von Rassismus, sondern ihr Ergebnis. Diskriminierung ereignet sich dort, wo sich an Hautfarben von Menschen die Zuschreibung knüpft, all diese Menschen mit der gleichen Hautfarbe hätten etwas Wesentliches gemeinsam. Wo also die Hautfarbe oder das Schlitzauge alle Unterschiede in Sachen Landeszugehörigkeit, Kultur, Alter, Herkunft, Bildung, Charakter neutralisiert. In dieser Perspektive ist eine Person, die keine rosige Hautfarbe ihr eigen nennen kann, in erster Linie ein Schwarzer und erst in zweiter ein Deutscher, US-Amerikaner oder Senegalese und erst in dritter ein Bänker, Präsidentschaftskandidat oder ein Kindergärtner.
Umso wichtiger ist daher der Vorschlag des Deutschen Instituts für Menschenrechte, den Begriff "Rasse" aus dem Grundgesetz zu streichen und stattdessen von "rassistischen Benachteiligungen" zu sprechen. Das Institut schlägt damit vor, die Logik des Rassismus zum Gegenstand der Bestrafung zu machen. Eine notwendige Zäsur.
Denn hierzulande, wo im Vergleich zu Großbritannien, Frankreich oder den USA - kaum Nichtweiße leben, wird das Problem des Rassismus vielfach unterschätzt. Dabei blüht es gerade dort, wo Weißsein selbstverständlich für normal, folglich Nichtweißsein für die Ausnahme gehalten wird. Um sich über diese rassistische Normativität klar zu werden, ist diese vom Institut für Menschenrechte vorgeschlagene Korrektur am Gesetzestext, also die Arbeit an unseren sprachlichen Konventionen unerlässlich.
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