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Kommentar Bundespräsidenten-KürAlles Merkel

Kommentar von Ralph Bollmann

Die Person des früheren Stasibeauftragten Gauck eignet sich perfekt, um Kanzlerin Merkels rein taktisch motivierte Kandidatenkür in ein schlechtes Licht zu rücken.

Überparteilich sollte er sein. Ein präsidialer Typus mit Autorität und glaubwürdiger Biografie, der die ein oder andere Stimme aus dem Regierungslager herüberziehen kann. Ein Kandidat, der SPD und Grüne nicht in neuerliche Diskussionen über das Für und Wider einer Kooperation mit der Linkspartei stürzt. Der die nötige Eitelkeit mitbringt, um für dreieinhalb Wochen im Rampenlicht eine letztlich aussichtslose Bewerbung in Kauf zu nehmen.

Das Profil des Präsidentschaftskandidaten, nach dem die beiden Oppositionsparteien fahndeten, passt geradezu perfekt auf Joachim Gauck. Dass der Kandidat den Favoriten Christian Wulff in der Bundesversammlung ernsthaft in Gefahr bringt, ihn auch nur in einen zweiten Wahlgang zwingt, ist zwar unwahrscheinlich: Die Lage der Koalition ist zu ernst, als dass allzu viele Abgeordnete von Union und FDP den Chaosfaktor noch vergrößern wollten. Aber die Person des früheren Stasibeauftragten eignet sich perfekt, um Merkels rein taktisch motivierte Kandidatenkür in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken.

Bild: taz

Ralph Bollmann ist Leiter des Parlamentsbüros der taz.

Das ist, wie so oft bei Merkel, vergleichsweise einfach. Denn um des bloßen Glanzes willen hat die Kanzlerin machtpolitische Fragen noch nie zurückgestellt. So sieht sie in der Präsidentenfrage wieder einmal sehr schlecht aus und geht doch gestärkt daraus hervor. Innerhalb weniger Wochen haben sich jene drei Rivalen aus der CDU-Spitze verflüchtigt, die Merkel einst als stellvertretende Parteivorsitzende einbinden musste. Jürgen Rüttgers wird in Nordrhein-Westfalen wohl zugunsten einer großen Koalition abtreten müssen, Roland Koch will aus der Politik aussteigen, Wulff wird nun ins Präsidialamt weggelobt. In der Regierung bleiben die Vertreter des Modernisierungskurses hingegen auf Schlüsselpositionen, nicht zuletzt Ursula von der Leyen, die als Arbeitsministerin den größten Anteil des Etats verwaltet.

Wenn sich die CDU im November in Karlsruhe zum Parteitag trifft, dann ist sie endgültig eine andere Partei. Es liegt jetzt an Merkel, was sie daraus macht. Das ist eine Herausforderung, die größer ist als die Kandidatur Joachim Gaucks.

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3 Kommentare

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  • DW
    DIETER WOLF

    Daniela hat recht. Dies ist ein trauriges Schauspiel:

    das hoechste Amt im Staat wird einer Null angetragen.

     

    Mit Gesine Schwan haette ich mich identifizieren koennen -aber mit WULFF ?

    Haben Sie von dem schon mal etwas Bemerkenswertes gehoert ? Ich nicht.

     

    Bei der aktuellen Auswahl ist Gauck wohl die bessere Loesung, aber ich habe ein bisschen rheinische Ressentiments: Kanzler und Praesident aus den Kolonialgebieten ? Meine Oma sagte schon "alles Boese kommt aus dem Osten"

     

    In diesem Sinne, freundliche gruesse

  • A
    AbbaStaun

    Ohne Merkel-Fan, Wulff-Fan, von der Leyen-Fan oder sonst ein Fan irgendeines der herrschenden Riege zu sein...aber was, um Himmels willen, den Herrn Gauck zum Bundespräsidenten qualifizieren würde, hat sich mir trotz aller Lobeshymnen, die diejenigen, die ihn aus der Versenkung holten und die ebenfalls die Medien produzieren, in keinster Weise erschlossen.

     

    Ist der 'Titel': angeblicher "Stasi-Aufklärer" schon Qualifikation genug? Wieso laufen dann die Blockflöten in CDU/CSU/FDP und die gewendeten SPDler eigentlich so völlig ungehemmt herum?

  • DL
    Daniela Lampe

    Nicht nur, dass ein völlig profilloser Parteisoldat, “entsorgt” ins Bellevue von Frau Merkel, nun Bundespräsident werden soll, sondern auch, dass dessen Frau, die diesen farblosen Biedermann dank ihres PR-Vorlebens und entsprechender Strategien in “Promi”-boulevardverhafteter Manier überhaupt erst mediengerecht “aufgebaut” hat, nun First Lady zu werden scheint, erfüllt mich mit Zorn und Scham für dieses Land, in dem ich lebe. Eine Christina Rau, eine Gesine Schwan, eine Hamm-Brücher haben als komplexe, humanistisch gebildete und denkende (!) Frauen Maßstäbe gesetzt. Was nun geschieht, ist nicht nur eine weitere Beschädigung des Amts und Marionettentheater, sondern ein Beleg für den Untergang einer ehemals auf (Grund-)Werte verpflichteten Gesellschaft, deren Politikerkaste in der größten Krise des Landes orientierungslos weiterwurstelt und Kalkül, Verantwortungslosigkeit und (mediale) Vermarktbarkeit praktiziert, statt ernsthafte Neuorientierung und (dem Grundgesetz verpflichtete) Alternativen zu entwickeln.