Kommentar Bildungspaket: Kinder aus den Augen verloren
Die Eltern zu faul, die Informationen zu wenig: Fleißig wird über die Gründe gestritten, warum so wenig Anträge für das Bildungspaket einlaufen. Die ursprüngliche Idee geht dabei unter.
E in Viertel aller anspruchsberechtigten Berliner Familien haben Leistungen aus dem Bildungspaket beantragt. Ist doch gar nicht so schlecht, sagt die Senatsverwaltung. Welch fataler Irrtum! Es waren die Kinder, denen man diese Leistungen versprochen hatte, weil das oberste Gericht dieses Landes deren Recht auf Teilhabe anmahnte. Nach sechs Monaten Bildungspaket in Berlin bleibt aber nur festzustellen: Bei 7 von 10 Kindern wurde dieses Versprechen nicht eingelöst.
Wenn der Senat von Eltern mehr Initiative fordert, Schulen über zu viel Bürokratie stöhnen und die Opposition über zu wenig Information motzt, mag an all diesen Vorwürfen etwas dran sein. Aber wer war denn die Zielgruppe dieses Pakets? Zum einen natürlich die Kinder, deren Eltern geringe finanzielle Mittel bislang durch große persönliche Entbehrungen auszugleichen suchten und die nun auch hohe bürokratische Hürden nicht scheuen. Aber sollte das Paket nicht gerade auch die Kinder erreichen, die nicht das Glück solch engagierter Eltern haben?
Desinteresse hat Gründe
Ganz sicher sind nicht 75 Prozent der berechtigten Eltern zu faul, ein paar Anträge auszufüllen. Es gibt schließlich noch genügend andere Gründe für die mangelnde Nachfrage: So fehlen bislang die Strukturen für die versprochene Nachhilfe, für Musikprojekte oder die Abrechnung der Essensversorgung.
Die Gründe sind aber auch völlig egal, selbst wenn es das Desinteresse mancher Eltern ist. Denn es waren nun einmal die Kinder, denen Bildung und Teilhabe versprochen wurde. Und es ist die Pflicht der Politik, dass ihnen dieses Recht in jedem einzelnen Fall gewährt wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen